Grenzlande 3: Das Vermächtnis (German Edition)
»Aber …«
»Obwohl der Qarant in diesem Fall zugestimmt hat, sich in Staatsangelegenheiten hineinziehen zu lassen«, unterbrach mich Javes, »sind die Leute zuallererst Händler.« Er grinste mich dümmlich an. »Das heißt, sie werden dafür sorgen wollen, dass ihre diplomatische Mission keine Obstkarren umwirft. «
»Genau«, erklärte Suiden. »Schon gar nicht ihre eigenen.«
Javes Lächeln wurde nur breiter. »Das ist der wichtigste Karren von allen, mein lieber Hauptmann.«
»Also sitzen wir einfach nur herum und drehen Däumchen?« Ich bemerkte die Mienen meiner vorgesetzten Offiziere. »Sirs?«
Die Gesichter der Männer blieben unbewegt, Jusson jedoch hob eine Braue. »Du betrachtest also die Arbeit, die wir bislang hier verrichtet haben, als reine Zeitverschwendung, Hase?«
Ich spürte, wie mein Gesicht heiß wurde. »Nein, Sire, ganz und gar nicht …«
»Vielleicht glaubst du ja dann, dass wir dumm sind, weil wir nicht einfach in ein Land einmarschieren, das nicht unseres ist, und dort nach jemandem suchen, der sich vielleicht dort versteckt hält oder auch nicht?«
Mein Gesicht wurde heißer. »Nein, Sire«, sagte ich erneut.
»Oder der möglicherweise in dem Moment, in dem wir die Grenze überschreiten, flüchtet«, setzte Thadro hinzu, »falls er es nicht schon längst getan hat.«
»Das auch«, stimmte Jusson ihm zu.
»Jawohl, Sire«, erwiderte ich. Vermutlich war es besser, mir die Zunge mit Apfelkuchen zu verbrennen, statt mit Worten. »Wissen Laurel oder Wyln schon von der Zustimmung des Qarant?«
»Nein«, sagte Jusson. »Ich habe die Mitteilung eben erst erhalten und hatte noch keine Zeit, der Faena-Katze etwas davon zu sagen. Ebenso wenig habe ich Lord Wyln darüber informiert, obwohl er anwesend war, als die Depeschen eintrafen.«
Ich blieb stumm, während ich mich den Pfannkuchen widmete. Insgeheim jedoch wunderte ich mich über diese Art von Geheimhaltung.
»Ich habe ihm gesagt, dass ich unter vier Augen mit dir sprechen wollte.« Jusson sammelte mit seiner Gabel die restlichen Krumen von seinem Teller und zuckte leicht mit den Achseln. »Das stimmt auch, aber der eigentliche Grund ist ein anderer. In der Tat werde ich Lord Wyln und auch den Faena fragen, ob sich die Grenzlande ebenfalls vom Qarant vertreten lassen wollen. So könnten wir dafür sorgen, dass wir alle zusammen am selben Strang ziehen. Es wäre überhaupt nicht hilfreich für uns, wenn ein anderes Königreich mit Pauken und Trompeten irgendwo einmarschierte, wo wir versuchen, behutsam vorzugehen.«
»Ein Königreich mit seinen eigenen Zielen und Plänen, Sire«, gab Thadro zu bedenken.
Zwischen Jussons Brauen bildete sich eine feine Falte. »Die Pest soll es holen, jawohl! Und zwar Ziele und Pläne, von denen wir immer noch nichts wissen. Ich glaube fast, dass Lord Wyln und Meister Laurel jeden Morgen vor dem Spiegel ihre undurchdringlichen Mienen üben.«
Es stimmte zwar, dass der Zauberer und auch der Faena sich nicht in die Karten blicken ließen, aber ich bezweifelte, dass einer von ihnen heimlich den Untergang unseres Königreiches betrieb. »Laurel hat gesagt, er will das Gleiche wie Ihr, Sire«, wandte ich ein und schluckte. »Ein starkes und stabiles Iversterre.«
»Nein«, widersprach Jusson. Er nahm seine Teetasse hoch und beobachtete mich über ihren Rand. »Er will kein starkes Iversterre. Er will, dass du stark wirst.«
Das stimmte allerdings. Aber Laurel wusste auch, dass ich dem Thron dreifach die Treue geschworen hatte und außerdem einen vierten Treueschwur auf Jusson persönlich geleistet hatte. Laurel hatte bereits eingeräumt, dass es für alle Beteiligten ausgesprochen schädlich wäre, auch nur eines dieser Gelübde zu brechen. Dennoch war es offensichtlich, dass Jussons Vorbehalte gegen Laurel Faena nach wie vor bestanden. Ich fragte mich unwillkürlich, ob er auch mir gegenüber Vorbehalte hatte. Denn ich war durch Verpflichtung, Rune und Feder ebenso eng an den Faena gebunden wie durch meine vier Schwüre an den König. Ebenso war ich dem Zauberer Wyln zur Loyalität verpflichtet, der mich seinen Cyhn nannte. Dennoch wusste ich genau, wem in erster Linie meine Treue galt.
»Ich bin der Eure, Sire«, sagte ich und ließ meine Gabel sinken.
Jussons Miene entspannte sich. »Das bezweifle ich nicht, Cousin«, antwortete er liebenswürdig. »Glaubt mir, dass ich das auch nie bezweifelt habe. Angesichts der Ereignisse der letzten zwei Wochen hatten wir kaum die Chance, uns viel zu sehen.
Weitere Kostenlose Bücher