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Grenzwärts

Grenzwärts

Titel: Grenzwärts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
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bist?«
    »Ist das dein Problem?«
    »Ja«, nickt sie ernst. »Das ist mein Problem.« Sie holt tief Luft. »Und es gibt noch ein zweites. Und irgendwie habe ich das idiotische Gefühl, dass das zweite Problem das erste lösen kann. Zumindest teilweise.«
    Alles klar. Ich verstehe kein Wort.
    »Also, als ihr gestern den Bus überfallen habt …«
    »Stopp, Baby! Das waren nicht wir.« Schon vergessen? Herr Rouché ist mein Zeuge!
    »Ja gut, aber doch Leute von euch. Neonazis und Skinheads und so.«
    »Falsch«, widerspreche ich, »das waren Polen. Oder Russen.«
    »Polen?« Jule starrt mich groß an. »Oder Russen? Aber Herr Rouché …«
    »Jule, ich hab die halbe Nacht damit verbracht, rauszufinden, wer die waren«, erkläre ich. »Ich hatte mir ‘ne Autonummer gemerkt von ‘nem Mietwagen.«
    »Und?«, fragt Jule.
    »Na ja, ich hab den Kerl ausfindig gemacht, der den Wagen gemietet hatte. Ein Bauer aus Reichenbach.« Ich schiebe mir ‘ne Karo zwischen die Lippen. »Irgendwelche Osteuropäer hatten ihm Geld gegeben, damit er den Wagen für sie mietet.« Ich biete ihr auch eine Zigarette an, aber Jule winkt ab und zieht nachdenklich den Reißverschluss ihres Anoraks auf und zu.
    »Ist damit Problem zwei gelöst?«, frage ich.
    »Damit fängt’s erst an.« Jule seufzt schwer. »Du musst mir helfen, jemanden über die Grenze zu schmuggeln.«
    Ich bin einigermaßen baff. Super! Na, das hat sie sich ja wirklich prima ausgedacht. Soll ich so meine Menschlichkeit beweisen, oder was?
    Die spinnt, denke ich perplex, die spinnt völlig, da ist echt nur noch pi ßi in der Birne.
    »Kudella, das ist wirklich wichtig«, insistiert sie eindringlich, »und es muss noch heute Nacht passieren.«
    Herrgott, wie sie mich anschaut! Mit ihren großen hoffungsvollen Augen. Als hinge ihr Leben davon ab.
    »Allein kann ich das nicht«, fügt sie bittend hinzu, »ich brauche deine Hilfe.«
    Das kann nicht ihr Ernst sein, denke ich und reibe mir angestrengt den Nacken. Aber was ist es dann? Spaß? – Wohl eher nicht.
    »Hier!« Sie hält mir ein Polaroid hin. »Es geht um ihre Schwester.«
    Ich sehe mir das Foto an. Eine von Rolands Nutten. Die Freche, die mir gestern die Zigarette angesteckt hat. Wie hieß sie noch? Sjweta oder Swetlana oder so. – Verdammt, was geht hier vor? Und was hat Jule vor?
    »Woher hast du das Foto?«, frage ich sie, und meine Stimme klingt seltsam belegt.
    »Das hab ich gemacht«, erklärt Jule, »mit meiner Polaroid.«
    »Heute?«
    »Ja«, nickt Jule, »vorhin.«
    Ich muss das erst mal auf die Reihe kriegen. Wenn Jule das Foto von dieser Swetlana gemacht hat, bedeutet das, dass die beiden sich kennen. Dass sie sich irgendwie getroffen haben. Nachdem Swetlana vor den Typen, die den Bus angesteckt haben, und ihrem Freier geflohen ist. Und es bedeutet weiterhin, dass sie nicht wie ihre Kolleginnen entführt und abtransportiert wurde.
    »Sie hat eine Zwillingsschwester«, erklärt Jule, »die in Polen festgehalten wird und zur Prostitution gezwungen werden soll. Genau wie Swetlana, verstehst du? Sie erpressen die Mädchen!«
    »Wer?«, frage ich. Weiß sie schon, dass Roland darin verwickelt ist?
    »Ich weiß nicht, irgendwelche skrupellosen Typen«, antwortet sie entrüstet. »Sie machen den Mädchen in Russland große Versprechungen von einem supertollen Leben und locken sie so von zu Hause weg.« Sie schaut mich an. »Swetlana und ihre Schwester sind erst siebzehn, das muss man sich mal vorstellen.«
    »Ja, aber …« Herrgott, denke ich hilflos.
    »Stell dir einfach vor, es ginge um mich.« Jule ist nicht mehr zu bremsen. »Wie würdest du reagieren?«
    Keine Ahnung!
    »Du würdest mir helfen«, weiß Jule. »Ganz sicher würdest du das.«
    Mag sein. Der Unterschied ist: Es geht nicht um dich, Conchitababy.
    »Wir müssen Jelena noch heute Nacht da rausholen! Weil sie schon morgen irgendwohin gebracht und in einen abgeranzten Puff gesteckt werden soll.« Aufgeregt läuft sie hin und her. »Im Augenblick wissen wir, wo sie steckt. Aber wenn sie da erst mal weg ist, verlieren wir ihre Spur. Dann wird Swetlana ihre Schwester womöglich nie wiedersehen.«
    »Und wo ist diese Swetlana?«
    »In Sicherheit«, antwortet Jule. Und setzt nach einer Weile zögernd hinzu. »Bei mir.«
    »Bei dir!« Ich fasse es nicht.
    »Das bleibt aber unter uns, okay?«
    Von mir aus. »Und ihre Schwester? Wo ist die?«
    »Bogatynia«, sie zwirbelt hektisch ihre Haarlocke, »wo dieses Kraftwerk ist, du weißt

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