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Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)

Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)

Titel: Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Berger
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rechnen. Das hatte noch Zeit. Nur Geduld.
     
    «Was bist du so fröhlich und pfeifst!»
    Die Susann, in Gedanken versunken beim Brunnen, blickt erschrocken von der Pumpe auf. Die Dorette! Grau im fahlen Morgenlicht, wie die Spatzen, die auf dem Hof hier und da an Strohresten picken. Die Susann freut sich im ersten Moment über den unerwarteten Besuch, aber als sie den Gesichtsausdruck ihrer Schwester sieht, vergeht ihr die Freude.
    «Um Himmels willen, was ist denn passiert?» Langsam lässt sie den Pumpenschwengel gehen und stellt den Eimer ab.
    «Das wüssten wir gern von dir», sagt die Dorette, todunglücklich. Und dann kommt sie ganz dicht auf die Susann zu und greift die jüngere, viel größere Schwester fest am Arm.
    «Kind. Was hast du getan? Die Leute sprechen, du wärst schwanger.»
    Herr Jesus. Also doch. Die Christiane hat Lügen über sie verbreitet. Die Susann kann es noch gar nicht glauben, und die Dorette muss sie am Arm rütteln, bis sie aufhört, ins Leere zu starren. «Und? Stimmt es? Bist du’s?»
    «Nein!», ruft sie und schüttelt fest den Kopf, damit bei der tauben Dorette nicht der geringste Zweifel bleibt. Und dann sagt sie ihr die Wahrheit langsam und deutlich, alles dreimal wiederholend, ins gute Ohr: Dass ihr vor Weihnachten mitten während ihrem Gewöhnlichen urplötzlich das Blut versiegt sei, nachdem sie fast zur Raserei zornig auf die Christiane war, die ihr einen bösen Tadel eingebracht hatte von der Frau Bauerin, indem sie sie angeschwärzt hat für ihre eigene Schlamperei bei den Betten, und dass sich dummerweise die Reinigung seitdem noch nicht wieder eingestellt hat. Aber mit der Auskunft gibt die Dorette sich nicht zufrieden und fragt das, was die Susann auf keinen Fall gefragt werden will: Ob sie denn gewiss auch mit keiner Mannsperson Verkehr gehabt habe?
    Die Susann fühlt sich, als müsse sie über einen tiefen Graben springen. Und dann macht sie sozusagen innerlich die Augen zu und holt Schwung, und dann springt sie und antwortet klar: Sie habe mit keiner Mannsperson etwas zu tun gehabt (im Geiste ergänzt sie: seit sie das letzte Mal eine Blutung hatte).
    So, der schlimme Moment wäre überstanden. Sie ist drüber über den Graben. Jetzt nur stark bleiben. Schlimmer kann es kaum noch kommen. Die Frau Bauerin hat es sicher auch schon gehört, das Gerücht, und wenn die bis jetzt nichts gesagt hat, dann heißt es, sie glaubt es nicht. Sie vertraut ihr. Gott sei Dank.
    Die Dorette redet immer noch auf die Susann ein. Dass sie sehr hoffe und bete, dass es wahr sei, was die Susann sagt, sie hätte mit keinem was gehabt und sei nicht schwanger, und werde auch in Zukunft solchen Schrecken ihren Schwestern ersparen. Den Zustand von der armen Ursel nach den Nachrichten solle sie sich nur mal ausmalen, und sie sei doch hoffentlich alt genug zu wissen, was es bedeuten würde, wenn sie wirklich schwanger wäre, dass sie nämlich ihre Stellung verlieren würde. Und sie, die Dorette, könne sich nicht vorstellen, dass sie ihren Hechtel überreden könne, eine schwangere Susann aufzunehmen, wo er sie schon in ehrbarem Zustand nicht mehr im Haus haben wolle, oder gar dann den Bastard. Falls also die Susann, was Gott verhüten möge, doch schwanger sei oder schwanger sein könnte, dann möge sie bitte aus alle dem schließen, dass sie dann aber allerschleunigst mit dem Kindsvater, es sei, wer es sei, eine Abmachung treffen müsse für baldige Heirat. Und falls dieser sich weigere, dann habe sie, die Dorette, schon gehört, dass man in einem solchen Falle eine sogenannte Vaterschaftsklage erheben könne beim Rat, womit man die Heirat oder wenigstens Alimente erzwingen könne, die verlorene Ehre bekäme man freilich nicht wieder zurück, aber immerhin −
    «Dorette! Dorette!», drängt die Susann und weist mit dem Kinn nach rechts, wo, ungehört natürlich von der Dorothea Hechtelin, soeben der Judenknecht Bonum zum Tor hereinspaziert. Da bleibt die Dorette nicht mehr lange auf dem Bauerischen Hof, sondern eilt, den Bonum grüßend, hinaus zur Straße.
    Der Bonum seinerseits verschwindet in der Bierstube. Der Hof ist wieder leer, bis auf die Spatzen. Stille.
    Allein beim Brunnen, merkt die Susann auf einmal, dass ihr die Hände zittern. Alle beide. Aus Zorn zweifellos. Gott, sie ist so böse auf die Christiane, so bös war sie noch nie. Wie konnte die Christiane ihr das antun. Ihr den Ruf als ehrbares Mädchen verderben in der ganzen Stadt, mit allem, was das bedeutet, auf gerade einmal

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