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Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)

Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)

Titel: Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Berger
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einen leisen Verdacht hin. Wo doch die Susann ihr vom Ausbleiben ihres Geblüts von Anfang an freimütig und in aller Unschuld erzählt hatte. Das dann für Böses auszuschlachten. So eine grundschlechte Gemeinheit. Eine grundschlechte.
    Es gärt in ihr. Und dann lässt sie den Eimer stehen, wo er steht, stapft, die Spatzen aufschreckend, los, quer übern Hof und hinein zur Bierstub, greift sich die Christiane, zieht sie nach nebenan in die leere Wohnstube und faucht sie an und geigt ihr so was von die Meinung über ihre Hinterhältigkeit und ihre Bosheit und überhaupt und ist in voller Fahrt und Rage − als die Hoftür der Wohnstube aufgeht und die Frau Bauerin eintritt.
    «So», sagt die ruhig und böse, sich breit aufstellend vor den beiden, die Hände an den Hüften, «jetzt reicht es. Jetzt hab ich ein für alle Mal genug von eurer ewigen Streiterei.»
    «Die Susann brüllt hier rum, als hätt sie sie nicht mehr alle», piepst die Christiane unschuldig. Mit der Susann geht es, wie zur Bestätigung, augenblicklich wieder durch: «Und du hundsgemeines Biest erzählst in der ganzen Sta−»
    «Kein Wort mehr!», brüllt die Frau Bauerin. «Ich brauch hier Ruhe im Haus unter meinen Leuten. Und deshalb wird mit Ablauf der Ostermesse eine von euch beiden gehen. Keine Widerrede. Das steht fest. Welche, das wird sich noch erweisen. Das mach ich am einundzwanzigsten bekannt. Und nun ab an die Arbeit mit euch.»
    Als die Wirtin sich abwendet und damit die Unterredung für beendet erklärt, beginnt die Christiane:
    «Frau Bauerin, ich muss Euch was sagen.»
    «Also, dann sprecht.»
    «Es ist gut, dass eine von uns gehen soll. Ihr müsst nämlich wissen, ich bin auch nicht mehr bereit, die Susann als Kameradin zu haben. Das färbt ja auf meinen Ruf ab. Weil, die Leut reden oft so dahin ohne Namen, oder wissen den Namen nicht, und wenn es dann heißt, die Magd vom Einhorn wär schwanger, dann wird am Ende noch jemand denken, das bin ich.»
    Die Frau Bauerin steht ganz ausdruckslos mit hängenden Lefzen. «Was erzählt Ihr mir da? Die Susann wär schwanger? Stimmt das, Susann?»
    Jesus, muss sie sich beherrschen. So sehr beherrschen, nicht laut zu werden. «Bin ich nicht. Bin ich überhaupt nicht. Mir ist nur nach einem großen Ärger vor Zorn die Ordinaire weggeblieben von einer Minute auf die nächste und nicht wiedergekommen seitdem, und heut erfahr ich, dass die Christiane herumerzählt, ich wär schw −.»
    «Tu ich gar nicht! Das erzählen die Leut von selbst, guck dich doch an mit deinem fetten Bauch!»
    «So! Jetzt reicht es aber endgültig! Himmelherrgott, was ist das nur mit euch beiden! Merkt’s euch nur gut, eine geht am Ende der Messe. Dann hab ich endlich wieder Ruh im Haus.»
    Jetzt zittern der Susann außer den Händen auch die Knie. Sie schämt sich. Lieber Gott, wie konnte sie nur so fahrlässig dumm sein, die Christiane so zusammenzustauchen. Sich so gehen zu lassen, die Beherrschung zu verlieren, schon wieder. Zum eigenen Schaden, wie jedes Mal.
    Und als sie sich wie ein geprügelter Hund hinausschleicht auf den Hof, wo sie den halbvollen Wassereimer achtlos zurückgelassen hatte, da denkt sie: Man soll nie meinen, dass es noch schlimmer nicht kommen kann.

3. AUGUST 1771, VIER UHR
    AUF DER EINZIGEN wirklich breiten Straße in ganz Frankfurt, der Zeil auf der Nordseite des alten Stadtgrabens, bot sich ein allen Frankfurtern vertrautes Bild: Der Stifter und Stadtphysicus Dr.   Johann Christian Senckenberg, einer der drei Hasen, lauteren Herzens auf dem Weg zu schwerer Pflicht.
    Wie eigentlich meistens. Denn bloß so zum Vergnügen war der Dr.   Senckenberg niemals unterwegs. Das eigene Vergnügen war etwas, das er gar nicht hoch schätzte, worin er sich aber leider, wie er allzu gut wusste, von seinen Brüdern sowie von der ganzen Frankfurter Rats-Canaille (Pardon!) unterschied.
    Und heute war die Pflicht besonders schwer. Christian Senckenberg hatte geradezu Schwierigkeiten, das festgezurrte Halblächeln unter der Hakennase beizubehalten, mit dem er stets einherging und das er allen, die ihm entgegenkamen, freundlich nickend zu schenken pflegte. (Falls man sich etwa kannte, und meist kannte man sich ja auch.) Jedenfalls grüßte er so alle ehrbaren, untadeligen Bürger. Die unehrenhaften Personen, als da waren: Bankrotteure, Juden, Katholiken etc., die ignorierte er. Und indem er den Unehrenhaften schon auf Abstand auswich, andererseits den Ehrbaren, Untadeligen noch vor dem Grußnicken stets

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