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Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)

Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)

Titel: Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Berger
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aufhört. Das ist für uns alle kein Spaß, wir leiden alle darunter, nicht nur du. Musst mir versprechen, dass du auch die Pulver fleißig nimmst.»
    Die Susann verspricht. Und obwohl sie nun wirklich noch ganz andere Sorgen hat, quält sie ganz heftig der Gedanke, dass der erste August sich nähert. Dann ist ihr Vierteljahr um, und sie hat schon einmal Vorschuss sich geben lassen von der Frau Bauerin auf ihren Lohn, für ihren Anteil an dem teuren Trank vom Doktor Metz. Für das gute Stopfgarn von Flörsheim hatte sie ihr bisschen angespartes Trinkgeld ausgegeben, und jetzt wird sie wohl noch vierzehn oder sechzehn Kreuzer für die Pulver als Vorschuss brauchen. Nach alledem bleiben ihr, wenn zum ersten August die Abrechnung gemacht wird, gerade einmal dreißig Kreuzer, die noch ausstehen von ihrem Lohn. Und sie weiß im Leben nicht, wie sie mit dreißig Kreuzern in der Hand dem Schuster Wetzel gegenübertreten soll. Wenn das Evchen das mitbekommt. Was schämt sie sich. Was tut ihr das leid.
    Gott sei Dank ist ja dann bald Messe, dann wird sie das Schuhgeld dank der Trinkgelder in ein paar Wochen zusammenhaben. Oder ob ihr vielleicht die Frau Bauerin im Hinblick auf die kommende Messe noch einen Kredit gewährt?
    Wenn nur endlich der dicke Bauch und diese Angst weg wären. Wenn sie wirklich nicht schwanger wär und sich das Blut lösen würde von dem Pulver. Dann wäre ihr alles egal. Dann könnte sie alles ertragen.
    «Dorette», wagt sie es schließlich, der Hechtelin ins Ohr, «hat der Doktor Burggrave sonst noch etwas gesagt, außer, ich wär nicht schwanger?»
    Die Hechtelin fängt an zu flüstern. «Dass man aus dem Urin es nicht sehen könnt, ob du schwanger wärst oder nicht. Und wenn du Gliederschmerzen hast, dass es dann gut sein kann, dass man dir unrecht tut, weil von Schwangerschaft bekäm man keine Gliederschmerzen.»
    Der Susann ist ganz heiß geworden: So waren also die Worte vom Doktor Burggrave. Er hat gar nicht gesagt, dass er sich sicher sei, sie wäre nicht schwanger. Sondern: Er weiß nicht, ob sie’s ist. Sie fühlt sich so hohl im Magen, schwindelig wird ihr, als ob sie fällt. Oder vielleicht ist das der Aderlass. Warum war sie auch eben so dumm, Hoffnung zu schöpfen. Sie hätte es doch wissen müssen, sie weiß es doch besser als irgendein Arzt. Und dass einem von Schwangerschaft die Waden und Füße weh tun können, da ist sie sich ganz sicher, da hat sie nämlich selbst schon Frauen drüber klagen hören.
    Sie macht die Augen zu.
    Sekunden später hörte sie eine helle Stimme:
    «Susann! Was ist denn mit dir? Oje, bist du krank? Ich wollte dich nur mal besuchen.»
    Es ist das Evchen Wetzelin.
    Die Susann wünscht sich kurz in eine andere Welt.
    Dann öffnet sie die Augen. «Na, komm her, Evchen, keine Angst. Ich bin gar nicht richtig krank. Nur zu viel Blut.»
    «Tag auch, Frau Hechtelin.»
    «Tag, Eva.»
    «Weißt du, Susann, genau das hat der Doktor Senckenberg auch gesagt bei meinem Vater, vor grad einem dreiviertel Jahr, und jetzt, du weißt ja, da muss man sich jeden Morgen fürchten, ob man ihn nicht tot im Bett findet.»
    «Ich hab aber keinen Husten, Evchen. Und ich fühl mich überhaupt nicht so, als ob ich in nächster Zeit sterben werde. Ich bin stark wie ein Pferd. Musst nicht auch noch um mich Angst haben.»

MITTWOCH, 17. JULI 1771
    SEIT EINIGEN Wochen saß nachmittags am überhängenden Fenster im zweiten Stock eines Hauses in der Kerbengasse die Margret Seyfried und stopfte. Ihre Schwester, bei der sie neuerdings logierte, hatte sehr schlechte Augen und war froh, dass endlich mal jemand ihre Wäsche gründlich in Ordnung brachte. Deshalb fühlte sich die Seyfriedin als willkommener Gast und musste nicht unbedingt sofort eilig die nächste Stellung suchen, nachdem ihr Brotherr, ein Witwer, verstorben war und sie posthum schwer enttäuscht hatte. Er hatte sie nämlich entgegen seinen Ankündigungen nicht mit einem Legat bedacht, nicht einmal mit einem kleinen. Was andererseits auch wieder egal war, da der gesamte Nachlass sofort von Gläubigern konfisziert worden war. Davon allerdings wusste die Seyfriedin nichts.
    Sie war ursprünglich aus Umstadt und gemeinsam mit der Schwester vor fünfundzwanzig Jahren auf der Suche nach Arbeit hierhergekommen. Es hatte sich zu beider Glück auch gleich welche gefunden. Kein Wunder, da in Frankfurt das Dienstpersonal aus verschiedenen praktischen Gründen häufig an der Fortpflanzung gehindert war und so, genau wie Lebensmittel,

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