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Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)

Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)

Titel: Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Berger
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«Hhmhm.»
    Als bestem Wissenschaftler unter Frankfurts Ärzten ist ihm bewusst, dass irgendwo im Corpus Hippocraticum etwas von einer Schwangerschaftsprobe mit Urin und Weizenkörnern steht. Keimen die im Urin der Frau geweichten Körner nach ein paar Tagen in der Erde, ist sie schwanger. Wenn nicht, nicht. Und von einem verlässlichen Kaninchentest hat er auch mal gelesen. Da muss man zwei Tage nach Einspritzen des Urins das Tier aufschneiden und die Eierstöcke prüfen − sind sie geschwollen, ist die Frau schwanger, wenn nicht, nicht. (Wie sehen eigentlich Kanincheneierstöcke im ungeschwollenen Zustand aus? Um das zu wissen, bräuchte er also gleich mehrere Kaninchen zum Vergleich.)
    Aber warum sollte er solche aufwändigen, komplizierten und ganz unüblichen Proben für Patienten durchführen, die ihm die entsprechende Entlohnung − zehn Gulden würde er schon ansetzen müssen! − nicht bieten können? Diese Leute mit ihren paar Kreuzern in der Tasche! Die es ihm dann auch noch verübeln würden, sollte er tatsächlich eine Schwangerschaft feststellen. Oder man stelle sich vor, er verneine eine Schwangerschaft, weil die Körner nicht gekeimt sind, nicht ahnend, dass sie vielleicht schlecht waren oder die Erde nicht passend und es daran lag, und dann wirft das Mädchen eines schönen Tages doch! Wie stünde er dann da?
    Fertig mit Räuspern, stellt der Herr Doktor Burggrave mit knochiger Hand die Flasche ab und befindet ausdruckslos, dass man aus der Beschaffenheit des Urins eine Schwangerschaft oder ihr Fehlen nicht sicher bestimmen könne, und seiner Ansicht nach sei es immerhin gut möglich, dass dem Mädchen mit dem Verdacht Unrecht getan werde. Zumal ja auch die Gliederschmerzen ihm darauf hinzudeuten schienen.
    All dies wiederholt die Käthe sehr deutlich der Dorette ins linke Ohr.
    Und dann verschreibt der Doktor die üblichen bewährten Mittel, die immer indiziert sind und jedenfalls noch niemandem geschadet haben.
    Draußen schüttet die Dorette nach einem Blick rechts und links den Urin in die Gosse. Die hier ziemlich stinkt, weil das vor ihr schon viele andere so gehalten haben vorm Haus vom Dr.   Burggrave in der Galgen … − Pardon, St.-Gallen-Gasse.

EIN SONNTAG ANFANG JULI
    AM FOLGENDEN Mittag betritt die Dorette mit einem sehr schlanken, ordentlich gekleideten jungen Mann die Bierstube. Am hinteren Ecktisch sitzt die Familie Bauer beim Essen, heute ist auch der zweite, außer Hause wohnende Sohn mit Frau und Kind dabei. Die Susann räumt eben die Suppe ab. «Ei, wen bringt uns denn da die Frau Hechtelin, ist das nicht der Geselle vom Chirurgus Taubert!», ruft die Bauerin, die mit dem Gesicht zur Stube sitzt, um auch beim Essen ihr Reich zu beaufsichtigen. Der angehende Wundarzt lächelt sanft in die Runde, wünscht allseits einen schönen Sonntag und fragt dann nervös seine Begleiterin, wer denn eigentlich seine Patientin …
    Die Hechtelin versteht natürlich kein Wort von dem, was er sagt, nicht in der sonntäglich vollen Bierstube, in der sich überall an den Tischen Menschen unterhalten. Sie unterbricht den Chirurgus-Gesellen und erklärt dem ganzen Bauerischen Tisch und auch sonst jedem, der es hören mag: Sie sei nämlich gestern beim Herrn Doktor Burggrave gewesen mit dem Urin von der Susann, ohne deren Wissen, um noch einmal zu überprüfen, ob das Mädchen nun lüge oder die Wahrheit spreche.
    «Dorette!», ruft die Betroffene, die mit einem Stapel dreckiger Suppenteller im Arm neben dem Tisch steht, blass, die freie Hand halb vorm Mund.
    Im Raum wird es merklich stiller, und die Hechtelin fährt unbeirrt und noch lauter, fast hitzig fort: Der Doktor Burggrave habe den Urin genau untersucht und festgestellt, dass bei der Susann keine Schwangerschaft vorhanden sei und dass jeder, der das Gegenteil behaupte, dem Mädchen sehr, sehr unrecht tue.
    Im selben Moment hört man es klappern, die Frau Bauerin ruft: «Susann, ich bitt Euch, nicht das gute Geschirr!», während ihre Magd, jetzt rot im Gesicht, den ins Rutschen geratenen Tellerstapel auf ihrem Arm wieder ins Lot balanciert.
    Sie wolle, erklärt sehr forsch weiter die Hechtelin, sich nun aber künftig alle weiteren bösen Verdächtigungen gegen ihre unschuldige Schwester sehr verbitten!
    Es wird mucksmäuschenstill in der Bierstube. Nach einer diplomatischen Pause setzt die Bauerin mit den Worten ein, die Frau Hechtelin werde ja wohl ihr nicht die dienstfrauliche Fürsorge vorwerfen, indem sie (die Bauerin)

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