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Gretchen

Titel: Gretchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chelsea Cain
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Junkie oder Obdachlosen gefunden, und sie wollten es nicht der Polizei melden, weil sie Ärger wegen unerlaubten Eindringens befürchteten.
    Sicher. Klang absolut einleuchtend.
    Oder es war eine Falle. In Susans Geist blitzte eine Schlagzeile des Herald auf: UNERSCHROCKENE REPORTERIN IN BEAUTY-KILLER-HINTERHALT ERMORDET. Journalistin, verbesserte sie sich, als ihr Henrys Witz einfiel.
    Susan zündete sich eine Zigarette an und schaute weiter auf das Haus.
    Das Ganze war lächerlich. Sie sollte es endlich hinter sich bringen, anstatt so ein Drama daraus zu machen.
    Sie warf ihre Zigarette in den Regen hinaus, packte ihre Handtasche mit der chemischen Keule darin und stieg aus dem Wagen.
    Mach den Eindruck, als hättest du etwas zu erledigen, hatte ihr Quentin Parker beigebracht. Wenn du aussiehst, als hättest du etwas zu tun an einem Ort, wird dich niemand fragen, was du dort treibst. Er hatte immer ein Clipboard im Wagen. Niemand stellt einem Mann mit einem Clipboard Fragen, hatte er gesagt.
    Susan ging zum Kofferraum des Wagens, wo sie ihre Reporternotfallausrüstung aufbewahrte, und holte eine Taschenlampe und ein Notizbuch heraus, die sie in ihre Handtasche steckte, und dazu ein altes Klemmbrett. Falls jemand von der Kirche gegenüber sie beobachtete, würde es aussehen, als versuchte sie, Wähler zu gewinnen oder vielleicht eine Umfrage durchführen. Und wie viele Leichen haben Sie im Haus, Sir?
    Sie trug schwarze Jeans, schwarze Schnürstiefel und ein ärmelloses schwarzes Top. Wenn man dazu noch die purpurnen Haare und den roten Lippenstift bedachte, wirkte sie eher, als sollte sie am Empfang einer Modefirma arbeiten, als Hausbefragungen durchführen.
    Benutzte man heutzutage überhaupt noch Klemmbretter?
    Selbstbewusst schreiten. Das war das andere, was ihr Parker beigebracht hatte. Susan versuchte, selbstbewusst zu schreiten, aber es war eine Herausforderung, da es ziemlich heftig regnete und sie durch eine Menge totes Unkraut steigen musste, um zu dem überwucherten Aufgang zum Haus zu kommen.
    Aus der Nähe betrachtet war das Haus sogar in einem noch schlimmeren Zustand, als es von der Straße aus den Anschein gehabt hatte. Die Eingangsveranda hing samt den Stufen, die zu ihr hinaufführten, leicht nach links. Susan ging durch kniehohes Gras um das Haus herum, das Klemmbrett unter dem Arm. Es war sinnlos, da sie ohnehin niemand sehen konnte. Auf der Rückseite fand sie, wonach sie suchte – ein Stück Sperrholz lag vor einem eingeschlagenen Kellerfenster auf dem Boden. Man konnte nicht verhindern, dass Leute in leer stehende Häuser einstiegen. Nicht in einer Gegend wie dieser.
    Susan holte die Taschenlampe aus ihrer Handtasche, knipste sie an und kauerte sich neben das Fenster. Das Glas war sauber herausgeschlagen worden, und es ragten keine Scherben aus dem Rahmen. Das natürliche Licht, das durch das Fenster einfiel, ließ ein verschwommenes Rechteck aus Beton und zerbrochenes Glas auf dem Boden erkennen. Susan stützte sich mit einer Hand am Fensterrahmen ab, steckte den Kopf hinein und leuchtete mit der Taschenlampe aus, was sie erreichen konnte. Es gab nicht viel zu sehen. Rohre. Leitungen. Beton. Ein Keller eben.
    »Hallo?«, rief sie in die Dunkelheit. »Hat hier jemand eine Pizza bestellt?«
    Das einzige Geräusch, das sie hörte, war ein Bus, der an der nächsten Kreuzung vorbeifuhr. Galt es als Einbruch, wenn das Fenster bereits eingeschlagen war? Oder nur als unerlaubtes Betreten? Wenn sie hineinging und nichts fand, würde sie schnurstracks zur Zeitung fahren und niemandem je davon erzählen. Susan konnte nicht glauben, dass sie tatsächlich darüber nachdachte. Und gleichzeitig spürte sie eine freudige Erregung. Vor einem Jahr hatte sie noch Geschichten aus dem Leben über Tiere im Zoo geschrieben. Das hier war sehr viel aufregender.
    »Ich komme rein«, sagte sie. Sie steckte die Lampe in die Tasche, ließ die Beine durchs Fenster baumeln und sprang auf den Boden darunter. Glasscherben knirschten unter ihren Stiefeln.
    Es war still im Haus. Merkwürdig still. Kein Gebläse, kein Heizkessel, kein summender Kühlschrank, nichts von all den haustypischen Geräuschen.
    Sie zog die Taschenlampe wieder heraus und schaltete sie an. Der Strahl beleuchtete so viele Staubpartikel in der Luft, dass er beinahe fest wirkte. In einer Ecke des Kellers stand brackiges Grundwasser, das durch das Fundament einsickerte. Der Boden war übersät von Bierdosen, Zigarettenkippen und zerbrochenen Schnapsflaschen.

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