Gretchen
Rauchmelder. Ein Sprinklerventil. Zwei weiße Lüftungsschächte waren mit jahrealtem Staub und Schmutz bedeckt. Niemand machte sich je die Mühe, dort oben zu putzen.
Er blickte wieder auf das Handy. Nichts.
Die rosa Bodenfliesen glänzten, auch wenn der Vergussmörtel braun war. In der Mitte des Bodens war ein silberner Abfluss.
Jemand rüttelte am Griff der WC-Tür.
Archie schaute erschrocken auf. »Besetzt«, rief er.
Das Handy vibrierte. Er blickte auf den Schirm. »Vermisst Du mich?«
Archie starrte auf das Telefon und überlegte, wie er reagieren sollte. Tausend Möglichkeiten gingen ihm durch den Kopf. Er musste sie dazu bringen, dass sie sich zeigte. Sie musste glauben, er stünde immer noch unter ihrem Zauber.
Es klopfte an der Tür. »Einen Moment«, sagte Archie.
Eine kleine braune Hausspinne kroch aus dem Abfluss im Boden und huschte in Richtung Waschbecken über die Fliesen.
Archie tippte: »Ich möchte Dich sehen« und drückte erneut auf Senden.
Eine Sanduhr drehte sich auf dem Schirm des Handys. Dann verschwand sie. Nachricht abgeschickt.
Archie stand auf, betätigte die Toilettenspülung und hielt dann die Hände unter den Sensor des Wasserhahns. Die Verkleidung des Beckens war aus pfirsichfarben und schwarz gesprenkeltem Resopal, genau wie das, womit sich Courtenay in den Hals gestochen hatte. Es stammte wahrscheinlich von derselben Rolle.
Archie sah auf das Handy. Das Einzige, was der Schirm anzeigte, war die Zeit. 11.23, 11.24, 11.25. Er trocknete sich die Hände mit einem Papierhandtuch und warf es in den rechtwinkligen grauen Abfalleimer. Die Karikatur einer Skunkdame blickte vom Duftspender auf Archie herab.
Jemand versuchte es wieder an der Tür. »Einen Augenblick noch«, rief Archie, dieses Mal lauter.
Der Türgriff ging sinnlos auf und ab.
Diesmal ignorierte es Archie. Das war ein Krankenhaus hier. Es gab Dutzende von Toiletten.
Er legte das Handy auf das gesprenkelte Furnier und fixierte das Display, als könnte er Gretchen mit Willenskraft zu einer Antwort zwingen. »Komm schon«, sagte er leise und hielt sich an der Waschbeckenumrandung fest. »Komm zu mir.«
Das Handy summte, und eine neue SMS erschien.
Klopf, klopf.
Archie betrachtete die Worte und sah dann langsam zur Tür. Sie war im Krankenhaus. Sie beobachtete ihn in diesem Augenblick. Er steckte das Telefon in die Tasche und machte einen Schritt auf die Tür zu.
»Gretchen?«, sagte er.
Keine Reaktion. Archie streckte die Hand aus und drehte vorsichtig das Schloss um. Dann legte er sie auf den Griff, holte tief Luft und stieß die Tür auf.
Auf der anderen Seite war niemand. Er blickte links und rechts. Der Flur war leer. Er griff sich an die Stirn. Sie war feucht vor Schweiß. Er ließ Gretchen schon wieder an sich heran. Sie musste geraten haben. Sie hatte erraten, dass er aus einem abgesperrten Raum anrief. Das war nicht sie gewesen an der Tür. Die Person, die gewartet hatte, war ungeduldig geworden und gegangen.
Er hatte schon genug Probleme, er musste nicht auch noch Verfolgungswahn auf seine Liste setzen.
Archie sah einen Geschenkkiosk am Ende des Flurs. Er spähte mit zusammengekniffenen Augen hin und erkannte das Buch, das im Schaufenster ausgestellt war – Das letzte Opfer. Es war zwei Monate her, seit Archie zuletzt eine Zeitung gelesen hatte. Wenn er eine Chance haben wollte, Gretchen zu schnappen, musste er auf dem neuesten Stand der Nachrichten sein. Er setzte sich in Bewegung. Auf halbem Weg blieb er mitten im Flur stehen und drehte sich einmal um sich selbst. Niemand von Interesse war in der Nähe, aber er wurde das beunruhigende Gefühl nicht los, dass er beobachtet wurde.
_ 14 _
Gretchens Foto schmückte die Titelseite aller Zeitungen, die der Geschenkladen im Krankenhaus verkaufte.
Archie nahm eine Ausgabe des Herald zur Hand. TAG NUMMER SECHSUNDSIEBZIG schrie die Schlagzeile unter ihrem Bild vom Titel. Archie blätterte die Zeitung durch. Kein Artikel über den Parkplatz. Das würde in der morgigen Ausgabe kommen. Es gab vier Geschichten über Gretchen. Aber nichts Neues. Nur die alten aufgewärmten Einzelheiten, die alten Zitate.
Archie klappte das Blatt zu und betrachtete erneut ihr Bild auf der Titelseite. Es war ihr Foto für die Verbrecherkartei von vor zwei Jahren. Sie trug dieselben Sachen, die sie in seiner letzten Erinnerung an die Folter getragen hatte. Als sie ihn gehalten und ihm über den Kopf gestreichelt hatte, als er geglaubt hatte, er würde endlich sterben, und
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