Greystone Saga: Mit Schwert und Feder: 1 (German Edition)
um. Doch der Fechtmeister, der ebenfalls von Ians Kampftechnik begeistert gewesen war, hatte die Halle bereits verlassen.
„Ich mache mir Sorgen um Adamo“, sagte sie. „Ich glaube, er kann einem Training auf diesem hohen Niveau körperlich nicht mehr standhalten. Was meinst du?“
„Adamo kämpft sehr gut“, Ian zögerte, „aber ja, er merkt sein Alter.“
Joanna nickte. Ians Einschätzung bestätigte ihre Befürchtung. „Ich werde mit Jake darüber reden müssen.“ Sie stand auf, und schweigend ging sie mit ihm zur Burg zurück. Ihre Gedanken kreisten nicht nur um Adamo, sondern auch um das, was Ian erzählt hatte. Vor dem Hauptportal blieb sie stehen und sah ihn fragend an. „Kann jeder aus deinem Dorf so gut mit dem Bauernprügel umgehen wie du?“
„Nein. Jeder Mann dort kann sich damit zu Wehr setzen, aber ich habe – wie man mir sagte – besonders viel Talent.“
„Das stimmt. Auch dein Schwertkampf vorhin war sehr beeindruckend.“ Sie lächelte ihn an. „Du bist richtig gut.“
Sein Tonfall wurde bitter. „Sonst hätte ich im Tagelöhnerhaus nicht lange überlebt.“
Obwohl Joanna über all das Bescheid wusste, schockierten sie seine Worte. Vielleicht, weil sie ihn jetzt besser kannte und sehr mochte. Er hatte dieses Schicksal einfach nicht verdient. Betrübt lief sie in Richtung des Treppenturms.
Ian ging in sein Zimmer.Egal wie viel er lernen würde, egal wie gut er sich inzwischen mit Joanna verstand, seine Vergangenheit würde er nicht loswerden. Sie würde immer zwischen ihnen stehen, und er konnte nichts dagegen ausrichten. Zwar verachtete sie ihn dafür nicht, aber das Mitleid, das er in ihren Augen gesehen hatte, war fast noch schlimmer.
„Unter diesen Umständen müssen wir einen neuen Fechtmeister suchen.“ Jake schob seinen halbvollen Teller beiseite. „Adamo hatte in der letzen Zeit immer wieder davon gesprochen, seine Lehrtätigkeit aufzugeben, weil er zu alt sei. Ich habe das stets als übertrieben abgelehnt.“
Joanna hatte Adamos Abwesenheit beim Mittagessen genutzt, um ihrem Bruder ihre Beobachtungen vom Morgen zu berichten.
„Ich werde gleich ein paar Briefe schreiben und unsere Suche öffentlich machen.“ Jake stand auf. „Je eher ich mich an den Gedanken gewöhne, dass Adamo uns verlassen wird, desto besser.“
Joanna erhob sich ebenfalls. „Ich muss mit der Köchin den Speiseplan für die nächsten Wochen besprechen.“ Lustlos folgte sie ihrem Bruder.
„Wird es schwierig, einen neuen Fechtmeister zu finden?“, fragte Ian Galad, der noch mit ihm am Tisch sitzen geblieben war.
Galad nickte. „Du weißt, die Meinungen über Greystone sind geteilt. Jemanden zu finden, der gut ist und auch bereit, die neuen Techniken zu unterrichten, wird nicht einfach werden.“ Er strich mit der Hand einen Krümel von seinem Ärmel. „Das klingt jetzt wahrscheinlich anmaßend, aber da Adamo Entlastung sicher gerne annimmt, und Jake kaum Zeit hat, würde ich mich als Übungspartner für dich anbieten. Ich bin nicht gut“, fuhr er schnell fort, „aber doch sicherlich besser als eine Strohpuppe oder ein unsichtbarer Gegner.“ Erwartungsvoll blickte er Ian an.
„Danke, das nehme ich gerne an.“ Das Angebot freute Ian tatsächlich sehr, da er wusste, wie ungern Galad kämpfte. Es ihm zu unterbreiten, musste den jungen Lehrer viel Überwindung gekostet haben.
„Mir schadet mehr Übung nicht. Wenn du nichts dagegen hast, können wir gleich heute Nachmittag anfangen, bevor mich der Mut wieder verlässt.“
„Am besten beginnen wir mit ein paar leichten Kombinationen zum Aufwärmen, Galad.“ Ian fragte sich, ob Galad sein Angebot schon bereute. Nach seinem Gesichtsausdruck zu urteilen, war das eindeutig der Fall. Doch Ian hatte keinesfalls vor, ihn in irgendeiner Weise bloßzustellen. Er war dem jungen Lehrer unendlich dankbar für den Unterricht, den er ihm erteilte. Vielleicht konnte er nun seinerseits Galad helfen, indem er dessen Schwertkampf verbesserte. Während der nächsten einfachen Paraden beobachtete Ian Galad sehr genau. Hatte Galad anfangs die Grundhaltung beibehalten, führte er nun sein Schwert zu dicht am Körper und seine Hände umfassten den Griff am untersten Ende. Dadurch war die Waffe nicht mehr richtig ausbalanciert, und Galads Schläge wurden noch schwächer und ungenauer, als sie es sowieso schon waren. Warum tat er das? Es war Ian bereits aufgefallen, als Galad gestern mit Jake gekämpft hatte. Dabei besaß er doch ein gutes
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