Greywalker
nicht viel, ich weiß, aber schaden kann es auch nichts. Häng ihn dir um den Hals.«
Ich zuckte mit den Schultern, nahm ihr das Ding ab und hängte es mir um. Die kleine Tasche fiel auf meinen Pullover herab und bedeckte genau den Fleck, wo meine Brust schmerzte.
Ich konnte es kaum glauben, aber mir war auf einmal so, als würde ich das erste Mal seit einer halben Ewigkeit frische Luft atmen.
Mara grinste. »Und? Nicht so übel?«
»Nicht übel, gar nicht übel.«
»Hervorragend. Aber lass es unter dem Pullover verschwinden. Dein Nekromant wäre von dem Anblick sicher nicht gerade begeistert.«
»Wieso nicht?«
»Er ist doch selbst eine Art Monster, oder nicht?«
»Vielleicht sollte ich es von jetzt an immer bei mir tragen.«
Mara spielte die Entsetzte. »Das wäre aber nicht sehr gesellig von dir – einen Talisman gegen deinen Helfer einzusetzen. Außerdem wird es nicht lange halten, wenn das Artefakt Kraft aufsaugt. Es ist nur ein kleines Amulett.«
Sie sah erneut auf die untergehende Sonne. »Es wäre besser, wenn du dich schon mal auf den Weg machst. Ich denke nicht, dass es klug wäre, wenn er der Erste ist. Ich komme sofort nach, sobald ich Brian versorgt habe und Ben hier ist, um auf ihn aufzupassen.«
Ich nahm also meinen ganzen Mut zusammen und verließ ihr Haus.
Die dichte Wolkendecke ließ es bereits früh dunkel werden. Als ich in den mit nassem Schotter bedeckten Parkplatz gegenüber des Madison-Forrest-Museums einbog, hatte der Himmel überall dunkle Flecken. Es lag ein Geruch in der Luft, der darauf hindeutete, dass es bald mehr und stärker regnen würde. Ich blieb in meinem Wagen sitzen, wartete und beobachtete die Eingangstür.
Ein orange-grünes Taxi hielt nach einer Weile vor dem Museum und Carlos stieg aus. Er musterte das Gebäude skeptisch, während das Taxi wieder davonfuhr. Auf diese Entfernung hatte seine Gegenwart keine Wirkung auf mich. Er schaute nach links und nach rechts und hielt dann inne. Auf einmal kam er schnurstracks auf mich zu. Damit hatte ich nicht gerechnet, und ich setzte mich alarmiert auf.
Er stellte sich neben die Fahrertür und sah zu mir herein. Dann bedeutete er mir, auszusteigen.
Seinem Befehl zu folgen wäre einer Kapitulation gleichgekommen, und so etwas hatte ich in letzter Zeit schon zu oft erlebt. Außerdem hielt ich es auch für keine gute Idee. Wenn er mir allerdings tatsächlich etwas Böses wollte, hätte er dazu bereits mehrere Gelegenheiten gehabt.
Ich kurbelte das Fenster runter. »Sie haben es gefunden«, stellte ich fest.
»Ja. Wo ist Ihre Hexenfreundin?«
Noch ehe ich antworten konnte, bog Mara um die Ecke. Er drehte sich zu ihr um, und ich nutzte die Gelegenheit, auszusteigen, während er mir den Rücken zuwandte.
Mara schien aus ihrem Auto zu taumeln. Ihre Haare waren etwas zerzaust und ihre Augen funkelten. Sie hielt sich an ihrer Handtasche fest und eilte auf mich zu.
»Es tut mir leid, dass ich so spät dran bin. Aber ein gewisser Jemand wollte nicht einschlafen.« Dann sah sie Carlos direkt in die Augen, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. »Hallo. Wollen wir?«
Er nickte, ehe er sich an mich wandte. »Wollen Sie uns nicht vorstellen?«
»Carlos«, fing ich an und sah zu Mara. »Das ist …« Sie stand hinter Carlos und schüttelte heftig den Kopf. »… unsere Hexe.«
Er runzelte die Stirn, was mein Magen überhaupt nicht vertrug. Dann drehte er sich zu Mara um und nickte ihr grimmig zu.
Sie lächelte ihn an und meinte freundlich: »Sie sind ja eine ziemlich linke Socke.«
Zuerst schwieg er. Dann zog er einen Mundwinkel in die Höhe. »Das bin ich.«
»Also, wollen wir?«, schlug Mara vor. »Man kann das verdammte Ding ja beinahe von hier aus glühen sehen.«
Wir drehten uns zum Haus um. Die Fenster im oberen Salon schienen nun aus rotem Glas zu bestehen. Ein seltsames Geflecht aus Licht und Schatten umgab die Bäume im Innenhof und ließ sie in meiner besonderen Sicht in einem abstoßenden Purpur leuchten. Ich wollte das Gebäude nicht betreten. Ich schaute zu Mara, die eine Grimasse schnitt und meinen Arm nahm. Entschlossenen Schrittes ging sie mit mir zum Eingangstor. Carlos folgte.
Ich drückte auf die Klingel der Sprechanlage, und nach kurzer Zeit ließ uns die Kuratorin herein. »Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, wenn ich nicht mit hoch komme?«, erkundigte sie sich. »Ich habe noch so viel Büroarbeit zu erledigen. Lassen Sie mich einfach über die Sprechanlage wissen, wenn Sie fertig sind, und ich
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