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Grieche sucht Griechin - Grotesken

Grieche sucht Griechin - Grotesken

Titel: Grieche sucht Griechin - Grotesken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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nicht mehr. Lieb ich doch sonst die Weiber gar nicht zum Malen, nur hin und wieder so eine fette wie eben. Geben künstlerisch nichts Besonderes her, da ist so ein Mann anders: da sind gerade die Abweichungen vom klassischen Ideal das Interessante. Aber bei Chloé! Bei der ist alles noch eine Einheit wie im Paradies, die Beine, die Arme, der Hals wachsen aufs natürlichste aus dem Leib, und der Kopf ist noch ein Weiberkopf. Habe auch eine Plastik davon gemacht: Hier!«
    Er wies auf ein wirres Drahtgebilde.
    »Aber …«
    »Boxerstellung einnehmen«, wies Passap den Weltkirchenrat zurecht, trat dann einige Male zurück, prüfte sein Bild, änderte eine Ellipse, hob die Leinwand von der Staffelei und schraubte eine andere fest.
    »So«, befahl er, »jetzt gehen Sie in die Knie. Ares nach dem Schlachtgetümmel. Neigen Sie sich mehr vor, ich habe Sie schließlich nicht alle Tage zur Verfügung.«
    Archilochos, verwirrt und vom Ofen halb geröstet, wehrte sich nur noch schwach.

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    »Ich möchte Sie doch wirklich bitten«, sagte er, wurde jedoch von Nadelör unterbrochen, der in den Estrich herein-schlotterte, ein wandelnder, klirrender Eisklumpen, voll Miß-
    trauen, ein Bild werde verkauft.
    Passap wurde wild.
    »Hinaus mit Ihnen!« schrie er, und der Kunsthändler verzog sich aufs neue in die arktische Kälte des Treppenhauses.
    »Die Kunst ist meine Erklärung«, sagte dann der Maler endlich, Whisky trinkend, malend und gleichzeitig dem Kater flattierend, der auf seine Schultern geklettert war, »und ob Ihnen diese Erklärung genügt oder nicht, ist mir gleichgültig.
    Ich habe etwas aus Ihrer nackten Braut gemacht, ein Meisterwerk an Proportionen, an Flächenaufteilung und Rhythmus, an Farbe, an malerischer Poesie, eine Welt von Kobaltblau und Ocker! Sie dagegen wollen aus Chloé etwas ganz anderes machen, wenn Sie die erst einmal nackt zu Ihrer Verfügung haben. Wohl ein Mammachen mit Kinderchen. Sie zerstören ein Meisterwerk der Schöpfung, mein Herr, nicht ich, der ich dieses Meisterwerk verherrliche, ins Absolute, ins Endgültige, ins Traumhafte steigere.«
    »Es ist Viertel nach acht«, rief Archilochos erschrocken aus, gleichzeitig durch die Erklärung des Malers erleichtert.
    »Nun?«
    »Um acht habe ich mit Chloé abgemacht«, erklärte Arnolph ängstlich und wollte, nun von Katzen umschnurrt, von seinem Stuhle steigen. »Sie wartet im Boulevard Saint-Père auf mich.«
    »Da soll sie eben weiter warten. Bleiben Sie in Ihrer Stellung«, schrie Passap, »die Kunst ist wichtiger als Ihre Liebesaf-färe!« und malte weiter.
    Archilochos stöhnte auf. Der Kater, grau mit weißen Pfoten, war nun auf seine Schulter geklettert, und seine Krallen schmerzten ihn.
    »Ruhe«, befahl Passap, »bewegen Sie sich nicht.«
    »Die Katze.«

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    »Der Kater ist in Ordnung, nicht Sie«, ärgerte sich der Maler,
    »wie kann man sich nur einen so enormen Bauch zulegen und dies noch ohne Alkohol.«
    In der Estrichtüre kam Nadelör aufs neue zum Vorschein (eisüberzogen, erstarrt). Er sei durchfroren, klagte er, mit einer so heiseren Stimme, daß sie fast nicht zu vernehmen war.
    »Kein Mensch befiehlt Ihnen, vor meiner Türe auszuharren, und in meinem Atelier will ich Sie nicht haben«, antwortete Passap grob.
    »Sie machen mit mir Geschäfte«, krächzte der Kunsthändler und mußte niesen, brachte jedoch die Hand nicht aus der Tasche, da die Ärmel an der Hose festgefroren waren.
    »Im Gegenteil, Sie machen mit mir Geschäfte«, donnerte der Maler. »Hinaus!«
    Der Kunsthändler verzog sich zum dritten Mal.
    Auch Archilochos wagte nun nichts mehr zu sagen. Passap trank Whisky, malte Winkel von 60°, Parabeln und Ellipsen, häufte Kobalt auf Ocker und Ocker auf Kobalt, und nach einer halben Stunde durfte sich der Generaldirektor anziehen.
    »Hier«, sagte Passap und drückte ihm das Drahtgestell in die Arme, »stellen Sie das neben Ihr Ehebett, mein Hochzeitsgeschenk. Damit Sie sich der Schönheit Ihrer Braut erinnern, wenn sie verblüht. Und eines Ihrer Porträts schicke ich Ihnen zu, wenn es trocken ist. Und nun machen Sie, daß Sie fort-kommen. Ich kann Weltkirchenräte und Generaldirektoren fast noch weniger leiden als Kunsthändler. Ihr Glück, daß Sie wie der griechische Kriegsgott aussehen, sonst hätte ich Sie schon längst hinausgeschmissen, nackt, das können Sie mir glauben!«

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    15

    Nachdem Archilochos den Maler verlassen hatte, in einem Arm die weißen Rosen und im andern das Drahtgestell, das seine

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