Grießnockerlaffäre: Ein Provinzkrimi (German Edition)
einmal ausseh. Wie ich einmal ausseh, in vielen Jahren. In vielen, vielen Jahren. Der Paul ist also mein Opa. Und somit natürlich auch der Papa vom Papa praktisch. Gut, dass er damals was mit der Oma am Laufen hatte, das war mir ziemlich schnell klar. Zu vertraut und ja, auch zu verliebt haben die zwei sich verhalten. Aber das? Nein, das hätt ich nie geglaubt. Im Leben nicht.
Der Papa fällt plötzlich in eine Art Schnappatmung, und die Oma geht und bringt ihm ein Glas Wasser. Nur ganz allmählich beruhigt er sich wieder. Und so erzählt sie weiter. Vom Krieg und von der Liebe und vom Abschied. Der Paul wischt sich immer mal wieder über die Augen, und das eine oder andere Mal entweicht ihm ein Seufzer. Es ist ziemlich rührend, wie er dort so liegt und über die Worte von der Oma weint. Ich hab einen dicken Knödel im Hals.
»Aber was ist mit meinem Vater, Oma? Was ist mit dem Eberhofer?«, fragt schließlich der Papa, und dank einiger Handbewegungen versteht sie ihn auch.
»Der Eberhofer? Das war ein ganz feiner Kerl, Bub. Ja, das war ein Ehrenmensch. Wahrhaftig. Er war schon verliebtin mich, da hab ich noch Zöpfe getragen. Er war ja auch viele Jahre älter als ich. Im gleichen Alter wie meine Eltern in etwa. Allein deshalb hat er mich ja auch gar nicht erst interessiert. Und dann, als der Paul fortging und meine Schwangerschaft beim besten Willen nicht mehr zu verheimlichen war, da ist er einfach zu meinem Vater gegangen. Ist zu meinem Vater gegangen und hat um meine Hand angehalten. Ja, so ist das gewesen. Er hat uns zwei vor der Schande bewahrt und dem blöden Gerede von den Leuten. Und du weißt es, Bub, er hat sich zeit seines Lebens sehr liebevoll um uns beide gekümmert.«
Der Papa nickt und hält sich die Augen zu. Die Oma schnäuzt sich, steht schließlich auf und geht rüber zum Paul. Nimmt seine Hand zwischen die ihren und führt sie sich zur Wange.
Es ist hier nicht mehr auszuhalten. Bevor ich selber noch das Flennen krieg, muss ich raus. Ich geh mit dem Ludwig die Runde und stolpere x-mal, weil ich nicht auf den Weg achten kann. Weil mir der Schädel dröhnt. Der kalte Wind schneidet mir ins Gesicht und macht die Sache auch nicht besser. Und ich wünsche mir meinen verdammten Vollbart zurück. Ja, der wär jetzt prima.
Am nächsten Morgen düst der Leopold vors Haus. Offenbar funktionieren die Alarmglocken zwischen ihm und dem Papa hervorragend. Also, er düst vors Haus und rast direkt vom Auto zum Paul auf dem Sofa. Dort umarmt er ihn innig und küsst ihn beidseitig und mehrmalig auf die Wangen.
»Opa, mein Gott, warum hast du uns das nicht von Anfang an wissen lassen? Du gehörst doch zur Familie, Mensch. Schau, wen ich dir mitgebracht hab«, sagt er und präsentiertuns dann seinen Begleiter, der ein bisserl verloren im Türrahmen steht. Das sei ein guter Freund von ihm, sagt er, und obendrein ein ganz großartiger Arzt. Ein Spezialist, sozusagen. Und zwar einer, der seinesgleichen sucht und ganz Promi-München mit seinen medizinischen Kunstgriffen heilt. Und der … der soll ihn jetzt erst einmal gründlich untersuchen, unseren neuen Opa.
Ich krieg gleich das Kotzen.
Dann läutet mein Telefon. Dran ist der Bürgermeister, und der hat einen Spezialauftrag für mich. Ich möge doch so gut sein und den Brunnermeier vom Krankenhaus abholen. Denn der wird heute entlassen, und da wär es doch schön, wenn wir, so quasi als Gemeinde, ihn abholen täten und heimfahren. Er würde diese Aufgabe, diese wundervolle Aufgabe, ja gerne selber übernehmen. Aber die Haslwimmer-Eheleut, die feiern heut ihre goldene Hochzeit, und da muss er halt hin. Sagen wir einmal so: Unter normalen Umständen, hätt ich jetzt gesagt, mein Streifenwagen ist doch kein Taxiunternehmen. Den Brunnermeier kann holen, wer mag. Ich jedenfalls nicht. Da aber die Situation momentan alles andere als normal ist, bin ich um jede Zerstreuung dankbar, und wenn es auch nur Chauffeurdienste sind. Also mach ich mich auf den Weg.
Der Brunnermeier ist ziemlich verdattert, wie er mich sieht. Verdattert, aber dankbar. Er verlässt brav das Krankenhaus an meiner Seite und öffnet die Autotür. Die hintere, wohlgemerkt. Denn wenn er schon gefahren wird, dann eben mit Stil, sagt er. Also schwingt er sich dort auf die Rückbank, um Augenblicke später unter seinem Hintern ein paar Unterlagen hervorzuziehen.
»Hui, wo hab ich mich denn jetzt da draufgehockt?«, fragt er und wedelt damit vor meinen Augen. Ich hab keinerleiAhnung, aber wir
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