Grießnockerlaffäre: Ein Provinzkrimi (German Edition)
werden es rausfinden. Und rasch merk ich, dass es sich hierbei um die Krankenakte von der Frau handelt, die neulich in der Klinik Besuch von der Frau Barschl erhielt. Und wo ich heimlich eine Kopie gemacht und mittlerweile längstens vergessen hatte. Aber jetzt, wo praktisch eh schon ein Fachmann an Bord ist, kann der doch prima die Fahrtzeit nutzen und einen Blick darauf werfen. Zuerst mag er ja nicht recht. Faselt irgendwas von Schweigepflicht und Arztgeheimnis. Aber wie ich ihn dann genau zwischen Landshut und Niederkaltenkirchen, also praktisch mitten in der Prärie, aus dem Auto zu werfen drohe, wird er gesprächig. Und so erfahr ich, dass diese Frau – ihr Name ist Hausladen – vor nicht allzu langer Zeit eine Abtreibung hatte. Deswegen wär sie zwar nicht in Behandlung, der Eingriff liegt schon ein Weilchen zurück. Aber dann gab es wohl Komplikationen. Auf Grund des Eingriffs. Übrigens wurde die Abtreibung nicht in derselben Klinik vorgenommen. Was man durchaus verstehen kann. Wenn man schon Probleme hat wegen des einen Eingriffs, geht man halt das nächste Mal lieber woanders hin, gell. Wobei der Brunnermeier nach genauerer Betrachtung dann schon sagen muss, dass eine stationäre Behandlung rein medizinisch gesehen nicht wirklich erforderlich gewesen wär.
»Oft sind es ja mehr die seelischen Probleme, wo die Frauen in die Klinik zurücktreiben. Sie haben ein schlechtes Gewissen wegen diesem fragwürdigen Eingriff und bilden sich dann hinterher körperliche Schmerzen ein. Und durch diese imaginären Schmerzen verschwindet dann so nach und nach das schlechte Gewissen, verstehens’. Weil sie ja jetzt praktisch bestraft worden sind. Die Psyche der Frauen, wer will da durchblicken?«
Ja, das sagt er so, der Brunnermeier. Und das wär alles, was er aus der Akte ersehen kann. Ich bedanke mich rechtherzlich, und dann sind wir auch schon da und er steigt aus. Klappert mit seinem Hausschlüssel zwischen den Fingern und geht zögerlich zur Tür.
»Ist irgendetwas?«, ruf ich durchs Fenster.
»Das Blut …«, fragt er leise. »Hat irgendjemand das Blut weggewischt?«
Keine Ahnung.
Also entsteig ich ebenfalls dem Wagen, nehm die Schlüssel an mich und betrete das Haus. Geh zielstrebig zur Küche und kann auch gleich Entwarnung geben. Kein Blut, keinerlei sonstige Körpersäfte, alles blitzblank und sauber. Der Brunnermeier schnauft tief durch und tritt ein. Sein suchender Blick ertastet jeden Winkel des Raumes. Und es ist fast so, als käm er zum allerersten Mal an diesen Ort. Mir fallen die Rasierklingen wieder ein.
»Räumen Sie doch Ihr Gepäck noch schnell fort«, sag ich. »Ich koch uns derweil einen Kaffee.«
Er nickt und verschwindet mit der Reisetasche in die obere Etage. Nachdem ich alle Rasierklingen, Messer und anderen Gegenstände mit einer tödlichen Klinge in einen Jutebeutel gepackt hab, setze ich Kaffee auf.
»Eberhofer«, sagt der Brunnermeier, nachdem er meinen Kaffee gelobt hat. »Ich kann mich vor den Zug werfen, am nächsten Baum erhängen, mich mit Tabletten ins Jenseits befördern und so weiter und so fort. Sie können also die Tasche ruhig dalassen.«
Ich überlege kurz, ob ich ihn mit meinen Handschellen am Heizkörper fixieren und dann einfach täglich nach ihm schauen soll. Da mir das aber als Dauerlösung eher schwierig erscheint, überlass ich ihm die Tasche und ihn seinem Schicksal und mach mich vom Acker. Schließlich kann ich mich nicht um den Erhalt des gesamten Planeten kümmern.
Wie ich heimkomm, ist der Leopold noch da mitsamt seinem Medizinmann. Und der sagt, der Paul müsse dringend in eine Spezialklinik am Bodensee. Der Leopold pflichtet ihm natürlich bei und bejubelt jedes Wort, das dieser Quacksalber von sich gibt. Dabei schaut er ihn voller Bewunderung an. Man könnte auch sagen, er steckt hüfttief in seinem Arsch. Also noch mal, beide beschwören den Paul, mitzukommen. Und zwar sofort. Aber der Paul mag nicht. Und wenn der Paul nicht mag, mag die Oma erst recht nicht. Der Papa sagt überhaupt nichts dazu, weil’s ihm seit dieser familieninternen Offenbarung sowieso die Sprache verschlagen hat und er einen Hauptteil seiner Zeit damit verbringt, abwechselnd die Oma und den Paul anzustarren. Der Doktor sagt, es tangiert hier nur peripher, was der Paul jetzt will oder was er nicht will. Wichtig ist, was er jetzt braucht. Und das wäre die Klinik. Heutzutage hätten sie großartige Erfolge in der Krebsbekämpfung. Ganz großartige sogar. Der Leopold applaudiert mit
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