Griffin, Forrest u. Krauss, Erich
wollt, muss das Studio euer Allerheiligstes sein, es muss der Ort sein, an dem ihr euren inneren Mann rauslasst. Und mit dem »inneren Mann« meine ich jetzt nicht euren Penis. Ich meine den bösen Geist, der in euch wohnt.
Diese Art von Abschottung funktioniert auch umgekehrt. Wenn ich nach dem Ende des Trainingstages aus dem Studio komme, lasse ich gedanklich alles, was mit dem Kampfsport zu tun hat, hinter mir. Psychologen raten ja häufig dazu, im Bett nichts anderes zu tun, als zu ficken und zu schlafen, und da kann ich nur aus vollem Herzen zustimmen. Ich gehöre nicht zu den Leuten, die ihre Wohnung mit UFC-Souvenirs dekorieren. Außerhalb des Studios trage ich keine Trainingsklamotten und rede mit meinen Freunden auch nicht übers Kämpfen. So, wie ich vor dem Training eine Liste mit allen offenen Rechnungen erstelle und auf dem Schreibtisch liegen lasse, notiere ich alles, was ich noch zur Vorbereitung für den nächsten Kampf tun muss, in einem Plan, den ich im Studio aufbewahre. Auf diese Weise kann ich mich auf meinen Alltag konzentrieren und dadurch Stress reduzieren. Wenn ich an mein Zuhause denke, kommen mir meine Katzen in den Sinn, meine Freundin, gutes Essen und Spielfilme. Ich schaue mir noch nicht einmal die Videomitschnitte der Kämpfe meiner Gegner zu Hause an – das mache ich im Studio zwischen den Trainingseinheiten. Vom ganzen Tag ist mir die Stunde vor dem Schlafengehen die liebste. Dann liege ich mit meiner Freundin herum, schaue fern und esse Junkfood. Da macht es nichts, wenn ich das mieseste Training aller Zeiten hinter mir habe. In dieser Stunde existiert der Kampfsport nicht.
Wenn ihr diese Art der Abschottung praktiziert, heißt das nicht, dass ihr eure Identität verleugnet. Steht der Kampfsport in eurem Leben an erster Stelle, bestimmt er natürlich große Teile eurer Persönlichkeit. Es ist wie bei den Polizisten: Man verbringt seine Freizeit höchstwahrscheinlich mit anderen Polizisten, erzählt Polizistengeschichten und geht ein- oder zweimal die Woche schießen. Aber nur weil man Polizist ist, muss man doch seine Polizistenuniform nicht außerhalb des Dienstes tragen. Man muss zu Hause keine Fahndungsfotos aufhängen und abends auch keine Polizeiserien gucken. Ich bin der festen Überzeugung, dass man, um beruflich Außerordentliches zu leisten, eine außerberufliche Identität braucht. Anders kann man den Stress nicht abbauen. Ein schönes Beispiel dafür ist mein Kampf gegen Keizh Jardine. Ich verlor diesen Kampf, und wie man an meinen noch im Ring reichlich fließenden Tränen unschwer erkennen konnte, war ich davon ziemlich erschüttert (ein unmännlicher Ausbruch, so leid es mir tut). Aber bei Gott, als ich zwanzig Minuten später aus der Arena ging, war ich wieder obenauf. Ich lächelte und blödelte mit meinen Kumpels herum. Wenn ich im Abschotten nicht so geübt gewesen wäre oder außerhalb des Sports keine Identität gehabt hätte, wäre ich viel länger am Boden geblieben als nur die wenigen Minuten, in denen ich meinen armen, zerschlagenen Kopf in den Händen hielt. Und es wäre auch viel schwieriger geworden, wieder aufzustehen.
Gastwichser: Big John
Visualisierungstechniken setzt Forrest nicht nur ein, um sich auf Kämpfe vorzubereiten – er benutzt sie auch als Mittel gegen Langeweile. Im Jahr 2000 jobbte er als Türsteher und versuchte zugleich, den Abschluss in zwei Hauptfächern an der University of Georgia zu schaffen. Da er gerade genug für das Allernötigste verdiente, bewohnte er ein Einzimmer-Dreckloch. Und mit Dreckloch meine ich Dreckloch. Der Vormieter war ein Junkie gewesen, der die Wohnung als eine Art Crack-Höhle hinterlassen hatte. Weil der Vermieter die Sauerei nicht beseitigen wollte, bot er Forrest an, ihm die Kaution zu erlassen, wenn er die Wohnung »in unrenoviertem Zustand« bezöge. Forrest ging darauf ein, was sich als gute Entscheidung erwies, denn in dem ganzen Müll fand er eine braune Lederjacke, die er noch heute trägt.
Um seiner Behausung eine persönliche Note zu verleihen, stellte Forrest einen 70er-Jahre-Fernseher auf, dazu kam eine Matratze von Adam Singer. Ich weiß, was ihr jetzt denkt – wie nett das von Adam war, einem bedürftigen Freund zu helfen. Nein, nett war das nicht. Die Matratze war acht Jahre alt und stammte noch aus Adams Junggesellenzeit. Da sie öfter besamt worden war als Courtney Loves Haare, wundert es mich
wirklich, dass sie sich keine Beine wachsen ließ und davonspazierte. Nur zwei private
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