Griffin, Forrest u. Krauss, Erich
Gegenstände hatte Forrest in dieser Wohnung (abgesehen vom Müll des Vormieters), und zwar zwei Bilder. Das eine zeigte Martin Luther King, das andere Clint Eastwood – seine beiden Vorbilder.
Eines Nachmittags gingen Forrest und ich nach dem Training auf einen Proteinshake zu ihm. Während wir auf dem Boden saßen und in den 70er-Jahre-Fernseher glotzten, erzählte er mir auf einmal, dass er sich manchmal einsam fühle und dann mit mir Gespräche führe, auch wenn ich nicht da war. Ich hielt das für einen Scherz, aber er berichtete zugleich von mehreren richtig guten Gesprächen mit mir. Dabei sagte er nicht: »Weißt du noch, als …« oder »Total witzig, wie du erzählt hast, dass …«, sondern schwärmte davon, wie klug doch diese und jene Bemerkung meines imaginären Ichs gewesen sei. An diesem Punkt hätte sich ein normaler Mensch vorsichtig in der Wohnung umgeschaut, den 70er-Jahre-Fernseher, die fleckige Matratze auf dem Boden und die zwei Bilder an der Wand wahrgenommen und erkannt, dass er sich in der Wohnung eines angehenden Serienmörders befände – aber ich bin doch selbst auch irgendwie verrückt. So konnte ich nicht anders, als zu lächeln. Ich wusste ja, dass Forrest irre war – mir war nur nicht klar gewesen, wie sehr. Als er etwa ein Jahr später beim psychologischen Einstellungstest der Polizei von Gainesville durchfiel, war ich nicht im Mindesten überrascht.
Forrests Antwort
Es ist schon komisch, dass gerade Big John mich für verrückt hält, denn er ist der verrückteste Typ der Welt. Das kann ich mit ein paar kleinen Anekdoten belegen. Ein paar Tage nach dem Massaker an der Virginia Tech im Jahr 2007 lag er um zwei Uhr nachts nackt und sturzbesoffen im Bett und schaute sich ein Trainingsvideo von Renzo Gracie an. Ihr werdet euch fragen, warum er sich ein Video nackig anschaut, aber John trägt zu Hause prinzipiell keine Klamotten … Na, dämmert’s? Jedenfalls brach in seinem Wohnblock Feuer aus, und die Sprinkleranlage ging los.
Da er Bundespolizist und Waffenliebhaber ist, liegen bei ihm immer allerlei teure Waffen herum. Damit diese keinen Wasserschaden abbekamen, quetschte er seinen nackten 130-Kilo-Körper in eine Jeans, schnallte sich seine M16 über die eine Schulter, seine Schrotflinte über die andere und steckte sich seine beiden Glocks in den Hosenbund, den er wegen seiner mächtigen Wampe nicht zuknöpfen konnte. Zuletzt legte er seine College-Football- und ATT-Championship-Ringe an. Habe ich schon erwähnt, dass er schwarz lackierte Fußnägel hatte? Im Ernst, schwarz lackiert. Anstatt sich nun noch Hemd und Schuhe anzuziehen, holte er sich ein Zwölferpack Bier aus dem Kühlschrank. Mit der Gewissheit, alles Wichtige mitgenommen zu haben, trat er auf den Balkon hinaus und rannte schnell die Feuertreppe hinunter.
Als John hinabstieg, erreichte eine Gruppe Feuerwehrleute gerade den Brandort. Ihnen bot sich folgendes Bild: ein 130 Kilo schwerer, mit Sturmgewehr, Schrotflinte und zwei Pistolen bewaffneter Mann, der ohne Hemd und Schuhe, aber mit schwarzen Fußnägeln und Biervorrat die Feuertreppe heruntergerutscht kommt. Unten angekommen, gab er sich nicht etwa als Gesetzeshüter zu erkennen, sondern lächelte die auf ihn zukommenden Feuerwehrmänner besoffen an. Und das wohlgemerkt, nur zwei Tage nachdem ein Verrückter an der Technischen Hochschule 32 Menschen erschossen hatte. Die Feuerwehrleute dachten sofort, dass er das Feuer gelegt und auf sie gewartet hätte, um sie nun alle zu töten. Einer von ihnen machte sich vor Angst in die Hose. Und das meine ich nicht sprichwörtlich – er kackte sich buchstäblich ein.
Ohne zu ahnen, was für einen Schrecken er verbreitete, ging John zum Bordstein, legte seine Waffen neben sich nieder und machte sich ein Bier auf. Wenige Minute später war er von Polizisten umzingelt, die ihn mit gezückten Waffen zu Boden zwangen. Einen Augenblick später erkannte ihn ein Kollege.
»John, bist du das?«, rief der Polizist.
»Ja ja, ich bin’s, ich bin’s, ich bin’s.«
Wenn euch diese Story noch nicht davon überzeugt hat, dass John nicht ganz richtig im Kopf ist, brauche ich eigentlich nur die Filmfigur zu erwähnen, die er am liebsten nachmacht. Nicht Al Pacino oder Dustin Hoffman – es ist Buffalo Bill aus Das Schweigen der Lämmer . Als ich meine Frau zum ersten Mal zu ihm mitnahm, um sie ihm vorzustellen, öffnete er uns in dieser Rolle die Tür. Splitterfasernackt und den Schwanz zwischen die Beine geklemmt, führte er
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