Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grim - Das Erbe des Lichts

Grim - Das Erbe des Lichts

Titel: Grim - Das Erbe des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
Vom Netzwerk:
wuchsen zu seinen Füßen und zogen sich langsam zu Grim hin. Sie waren Grußworte des Königs des Waldes, der niemals einem Sterblichen und nur selten einem Anderwesen leibhaftig erschien, eines Herrschers, der mehr Traumgestalt als Legende war. Der Hirsch hob den Kopf, als hätte er diese Gedanken gehört, und Grim wusste: Vor ihm stand Larvyn — der König der Elfen.

Kapitel 36

    ia stand in einem Raum aus Finsternis. In Augenhöhe vor ihr schwebte eine glitzernde Scherbe aus Eis. Sie sah nichts anderes als diesen Splitter der Königin, und sie fühlte nichts als die kühlen Lichtreflexe, die über ihr Gesicht tanzten. In Wirklichkeit, das wusste sie, saß sie noch immer neben Theryon und hielt den Kopf ihres Bruders in ihrem Schoß. Doch der Feenkrieger hatte sie in Trance versetzt, um ihre Reaktion zu schärfen: Und so befand sie sich scheinbar gerade in Jakobs Brustkorb, dicht bei seinem Herzen, und ließ die Scherbe nicht aus den Augen, die ihren Bruder töten wollte.
    Immer wieder flackerte ein Gesicht in dem Splitter auf, es war das spöttische Antlitz der Schneekönigin. Sie konnte Mia nicht erkennen, sie wiegte sich in Sicherheit. Für einen Augenblick erinnerte Mia sich an Theryons Worte.
Aber er ist nicht ungefährlich, es könnte sein, dass du ...
Dass du stirbst, hatte er sagen wollen, und wieder überzog ein Schauer Mias Haut bei diesem Gedanken. Doch gleich darauf fixierte sie die Scherbe umso entschlossener. Sollte die Königin sie unterschätzen, sollte auch sie glauben, dass sie nichts war als ein schwacher, erbärmlicher Mensch. Mia lächelte kaum merklich. Sie würde die Fee eines Besseren belehren.
    Ruhig und klar drangen die Worte des Feenkriegers durch die Stille, Mia wusste, dass er beide Hände über Jakobs Brust gehoben hatte und einen Zauber in der Sprache der Ersten Feen sprach. Es war eine uralte, geheimnisvolle und dunkle Macht, die Theryon beschwor, und Mia überkam eine Stimmung, die sie mitunter auch auf sehr alten Friedhöfen empfand: In seinen Worten ruhte eine Gewalt, die alles Leben vernichten oder erschaffen konnte, ein Geheimnis, das sie niemals vollständig begreifen würde. Sanft drangen sie durch die Dunkelheit und bildeten geisterhafte Schleier, die sich um die Scherbe legten, Schicht um Schicht in unzähligen Farben. Fasziniert schaute Mia auf das Schauspiel, das sich ihr bot. Da sprach Theryon das letzte Wort.
    »Fharsa«, drang es durch die Stille.
    Im nächsten Moment schossen die Schleier in einem prunkvollen Flirren auseinander, bäumten sich auf und wurden zu Strahlen aus Licht und Farben. Mit einem Dröhnen, das schmerzhaft in Mias Ohren widerhallte, brachen sie in die Scherbe ein. Ein Schrei drang aus dem Splitter. Mia erkannte die Stimme der Schneekönigin und spürte gleichzeitig das Glühen der Zauber in ihren Handgelenken, die auf ihre Befreiung warteten.
    Da stob eine helle Gestalt aus der Scherbe, sofort wurde sie von farbigen Strahlen gefesselt. Mia kniff die Augen zusammen, sie erkannte die Königin, die sich wie unter Wasser bewegte und deren Körper in gleißend hellem Licht erglühte wie Sonnenstrahlen, die durch kristallenes Gletschereis brachen. Ihr Haar wirbelte durch die Luft, als sich zwei bunte Schlingen um ihren Hals legten. Mia wich vor ihren Strähnen zurück, zischend schlugen sie nach Mias Wange aus, doch schon wurde die Königin von den Schleiern emporgerissen, bis sie nichts mehr war als ein heller Stern, umtost von farbigen Nebeln. Mia atmete aus, aber gleich darauf durchdrang ein Schrei die Luft, der sie zu Boden warf. Sie hörte das Kreischen der Königin, die ihre Fesseln in Fetzen riss und mit ausgestreckten Klauen auf Mia niederraste.
    Mia sprang auf die Beine, ihr Atem ging stoßweise. Sie zählte die Sekunden, das Gesicht der Königin eilte auf sie zu, es war schrecklich entstellt, als würde der Wind Fleischstücke aus ihren Wangen reißen, durch die helle Strahlen nach außen drangen. Da riss Mia die Fäuste über ihren Kopf.
    »Afdryr!«, rief sie so laut, dass ihre Kehle brannte.
    Im selben Moment schoss das Eis aus ihren Händen, glitzernd und golden wie die Sonne des Morgens. Knisternd raste es durch die Luft und bildete in wahnsinniger Geschwindigkeit ein gewaltiges Netz in der Dunkelheit. Die Königin stürzte darauf zu, Mia sah noch, wie sie die Augen in blanker Panik aufriss und mit heiserem Keuchen herumfuhr. Die Spitzen ihres Haares verfingen sich in dem Netz, funkensprühend wurden sie zu Asche verbrannt, während die

Weitere Kostenlose Bücher