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Grim - Das Erbe des Lichts

Grim - Das Erbe des Lichts

Titel: Grim - Das Erbe des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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Königin rückwärts in die Finsternis floh. Erneut warfen sich die Schleier der Farben auf sie, und dann, mit einem Krachen, als würde ein Meer aus Eis zerbrechen, verließ sie Jakobs Körper.
    Mia atmete schwer. Sie sank auf die Knie, noch immer gefangen in der Illusion, und spürte das Licht der Scherbe auf ihrem Gesicht. Dumpf hörte sie, wie Theryon die Königin mit mächtigen Zaubern bannte und spürte kurz darauf, wie der Boden unter ihren Füßen sich auflöste. Sie fiel in die Finsternis, Funken aus Nacht und Schatten umtosten ihr Gesicht, bis sie auf hartem Grund landete. Im ersten Moment glaubte sie, dass Theryon sie zurückholte in ihren Körper — dass sie es geschafft hätten. Dann spürte sie die Hitze des Lichts.
    Sie erschrak so heftig, dass sie zusammenfuhr. Sie kannte diesen Ort. Sie war schon einmal hier gewesen, damals vor etwa einem Jahr, als ihr Kampf gegen Seraphin sie beinahe das Leben gekostet hatte. Dunkelheit umgab sie. Stimmen riefen sie aus weiter Ferne, und da, wo die Stimmen waren, war auch das Licht. Sie dachte und fühlte nichts mehr, und doch konnte sie sich bewegen und auf das Licht zutreten. Ein seltsamer Frieden legte sich um ihre Schultern. Die Dunkelheit hinter ihr ging sie nichts mehr an. Sie wollte ein Teil des Lichts werden, das mit goldenen Strahlen nach ihr rief, ganz gleich, was dabei mit ihr geschehen mochte.
    Da drang etwas durch die Finsternis, die sich fremd und feindlich hinter ihr auftürmte, ein Ton, der sie innehalten ließ. Etwas näherte sich, nein, nicht etwas — jemand. Mia stockte der Atem, sie erinnerte sich an Grim, an sein Brüllen von unmenschlicher Tiefe, als er sie damals gerettet hatte. Doch er war nicht da, und auf einmal wusste sie, dass die Stimmen weit hinten im Licht nicht nach ihr riefen. Sie wandte sich um und sah die Gestalt, die sich aus der Dunkelheit auf sie zubewegte. Es war Jakob.
    Dicht vor ihr blieb er stehen. Sein Blick war klar, jede Schwärze war aus seinen Augen gewichen, aber die Leere war nicht verschwunden, die sich nun wie ein Mantel aus Finsternis um Mias Schultern legte, ebenso wenig wie die unsichtbare Mauer, die Jakob umgab und es Mia unmöglich machte zu ermessen, was dahinter vor sich ging. Ein Bild tauchte vor ihr auf, Jakob, der sich eine Waffe an die Schläfe hielt, Jakob, der sie auf diese besondere, unheimliche Weise anschaute — Jakob, der Abschied nahm, ehe er sich selbst tötete.
    »Es war ein langer Weg durch die Welt der Feen, Mia«, sagte er leise. »Ein zu langer Weg für mich.«
    Langsam schüttelte sie den Kopf. Sie hörte die Stimmen hinter sich, laut und durchdringend riefen sie Jakob zu sich. Sie spürte, dass er nicht mehr lange vor ihr stehen bleiben würde. »Wie kannst du das sagen?«, flüsterte sie.
    Da wurde Jakobs Blick kalt. »Du weißt nicht, was ich gesehen habe«, erwiderte er mit einer Schärfe, die sie nicht an ihm kannte. »Die Welt der Feen ist wie ein Spiegel, durch den man Dinge sehen kann, die alles verändern, woran man jemals geglaubt hat. Ich habe in meine eigene Seele geblickt, in die Gedanken der Welt, die Träume der Menschen. Ich habe für die Menschen gekämpft. Ich habe mein Leben für sie gegeben, für das große, strahlende Ziel einer geeinten Welt. Aber ich habe mich geirrt. In all meinen Träumen habe ich mich geirrt.«
    Mias Kehle zog sich zusammen, denn auf einmal begriff sie, aus welchem Grund Jakob ihr so fremd erschien, so weit entfernt, obgleich er direkt vor ihr stand. Solange sie denken konnte, hatte Jakob etwas in sich getragen, das sie immer an ihm bewundert hatte — etwas, über das Grim einmal gesagt hatte:
Es ist ein Licht, Mia, strahlender, als ich mir die Sonne denken kann. Es ist nicht mehr als ein Gedanke. Und doch hat es Menschen dazu gebracht, für ihre Freiheit zu kämpfen und dafür zu sterben, mit bloßen Fäusten gegen Panzer in den Krieg zu ziehen und an den Betten sterbender Kinder zu wachen, um sie nicht allein zu lassen in der Finsternis. Der Gedanke, von dem ich spreche, ist die Hoffnung.
Mia spürte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen, und sie sah, dass Jakob in diesem Augenblick etwas von ihrer eigenen Trauer empfand. Er hatte das Licht verloren. Mia hatte geglaubt, dass die Schneekönigin Jakob getötet hatte, aber so war es nicht. Sie hatte ihn am Leben gehalten.
    Jakob hob die Hand, er strich ihr über die Wange. Für einen Moment schloss sie die Augen, denn sie wusste, dass er Abschied von ihr nahm. Wie von ferne drang Grims Stimme

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