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Grim - Das Erbe des Lichts

Grim - Das Erbe des Lichts

Titel: Grim - Das Erbe des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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denken ließ — angespannt und nur einen Hauch davon entfernt, jegliche Kontrolle über ihre Instinkte zu verlieren.
    Er sah Carven eindringlich an, doch der Junge achtete nicht auf ihn. Wild entschlossen starrte er Dramdya ins Gesicht und wiederholte sein Todesurteil: »Scheusal!«
    In Dramdyas Miene zog sich etwas zusammen, es war, als würden sich die Schatten, die hinter der weißen Maske lauerten, auf einmal zu einem grauenvollen Schrecken vereinen.
    »Genug!«
    Grim schrak zurück vor dem Klang dieser Stimme, die er hasste und doch noch nie so gern gehört hatte wie in diesem Augenblick. Dramdya sprang rückwärts, wie sie es bereits im Wald getan hatte, und gab den Blick frei. Erst jetzt spürte Grim den eiskalten Wind, der durch die offene Tür hereinwehte, und er sah, wie Rosalie blitzschnell die Zwiebeln fallen ließ und zu Remis' Versteck hinüberraste. Und doch nahm er beides kaum wahr. Vor ihm, schwarz gewandet und mit nichts als Triumph auf den Lippen, stand Alvarhas.
    »Ich wollte euer ... Stelldichein nicht stören«, sagte er mit einem zweideutigen Lächeln zu Dramdya. »Doch ich empfing deinen Ruf.«
    Die Hexe nickte langsam. »Meine Gespielinnen brachten mir Kunde von Skorpa«, erwiderte sie kühl. »Sie sagten, dass es sie nach diesem Kind dort verlange.«
    Alvarhas legte den Kopf ein wenig schief und betrachtete sie interessiert. Grims Miene verfinsterte sich. Diese beiden wären in der Tat ein großartiges Paar gewesen.
    »Welche Belohnung wünschst du dir für deine Mithilfe?«, fragte Alvarhas beinahe liebenswürdig, doch Dramdya stieß voller Verachtung die Luft aus.
    »Weder begehre ich deine Herablassung«, sagte sie scharf, »noch deine Schmeicheleien. Du bist nichts als ein Diener — das werde ich niemals sein.«
    Grim schaute von einem zum anderen. Deutlich erkannte er die Wut in Alvarhas' Augen und für einen winzigen Moment war Dramdya ihm beinahe sympathisch.
    »Es liegt in meinem Interesse, dass Skorpas Macht sich vergrößert«, fuhr sie fort. »Ich verlange nichts von deiner Herrin — bis auf diese zwei!«
    Sie deutete mit dem Kopf auf Grim und Hortensius. Alvarhas schaute Grim einen Moment lang in die Augen, Enttäuschung flammte darin auf und die Erkenntnis, dass nicht er es sein würde, der ihn tötete. Dann zuckte der Alb mit den Achseln. »So soll es sein«, sagte er leichthin und wandte sich ab. »Gib mir den Jungen. Meine
Herrin
wartet nicht gern.«
    Grim spannte die Muskeln an. Mit aller Kraft versuchte er, seine Magie zu rufen, doch nichts als ein hohler, seltsam leerer Ton antwortete ihm. Dramdya hatte ihre gesamte Kunstfertigkeit in diesen Bannzauber gelegt, so viel stand fest. Aber seinen Zorn konnte sie nicht bändigen. Außer sich riss er an den Fesseln, als die Hexe Carven an den Haaren emporzog. Der Junge schrie auf vor Schmerz, es war ein heller, klarer Kinderschrei, der in Grim widerhallte. Die Fesseln schnitten tief in sein Fleisch und benebelten ihm die Sinne, aber befreien konnte er sich nicht. Für einen Moment spürte er Alvarhas' höhnisches Grinsen auf seiner Haut und sah Carvens tiefschwarzen Blick, der ihn innehalten ließ. Er hatte erwartet, Furcht in den Augen des Jungen zu sehen oder Hilflosigkeit — doch Carven sah ihn an, als wollte er den Tod herausfordern. Er sah ihn an mit dem Blick eines Kriegers.
    Atemlos musste Grim zuschauen, wie Alvarhas ihn aus der Tür schob und diese leise hinter sich schloss. Er hörte noch, wie er sich mit seiner Beute auf einen der Panther schwang, der in schnellen Sprüngen davonpreschte. Dann war es still. Nur ein Wispern drang durch die Stille wie das Summen zweier Mücken. Grim spürte Dramdyas Blick auf seinem Gesicht, ihr Lächeln duldete keine Verzögerung mehr.
    »Ich werde dich nicht töten«, flüsterte sie, als sie vor ihm niederkniete. »Nicht sofort. Ich werde dich aussaugen, jede Nacht ein wenig mehr ... zuerst deine Gedanken ... dann deine Erinnerungen ... und schließlich deine Träume ... bis du nichts mehr bist als eine Hülle, die darauf wartet, mit anderem gefüllt zu werden, wie zum Beispiel ... mit
meinen
Gedanken ... Erinnerungen ... und Träumen.«
    Das letzte Wort legte sich als Schleier über Grims Gesicht. Er konnte Dramdya nicht mehr deutlich erkennen, doch er spürte, wie ihre Lippen von der anderen Seite über seine Wange strichen und die Fasern des Schleiers sich zu fressenden Flammen entfachten. Sie gruben ihre Zähne in sein Fleisch, er wollte schreien, aber Dramdya fuhr mit ihrem

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