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Grim - Das Erbe des Lichts

Grim - Das Erbe des Lichts

Titel: Grim - Das Erbe des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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retten wollen, hatte sein Leben für sie gegeben — und nun begab sie sich in eine solche Gefahr. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch dann verzog sein Gesicht sich zu einer Maske aus Schmerz. Lautlos krümmte er sich zusammen und sank zu Boden. Mia fiel neben ihm auf die Knie, sie sah, wie die Nebel der Zwischenwelt über seinen Körper strichen und ihn blasser und farbloser machten. Sie lösten ihn auf, ihn, der nicht tot war und nicht lebendig, sondern nichts — wie sie selbst.
    Mia strich ihm übers Haar. Sie musste etwas tun, irgendetwas, um Jakob zu schützen, doch ihre Magie war zu schwach, als dass sie ihn damit vor seinem Schicksal hätte bewahren können. Ein leiser Schmerz durchzog ihre Brust wie eine Erinnerung. Für einen Moment saß sie still. Dann packte sie ihren Bruder an den Schultern und zwang ihn, sie anzusehen. »Ich werde dich nicht allein lassen«, sagte sie mit fester Stimme. »Niemals.«
    Und ehe er etwas erwidern konnte, rief sie die letzten Reste ihrer Magie und schickte sie durch die Scherbe in ihrer Brust. Wie ein Schwerthieb durchzog sie der Schmerz, als die Scherbe sich in Richtung ihres Herzens schob, doch sie sah den goldenen Schleier, der sich schützend über Jakobs Körper legte und die Nebel der Zwischenwelt zurückhielt.
    »Nein!« Jakob griff nach ihrem Arm.
    Sie erkannte die Verzweiflung in seinem Blick und zwang ein Lächeln auf ihre Lippen. »Es ist die Magie der Wünsche«, sagte sie und spürte bereits, wie ihre Zunge schwer wurde. »Sie wird dich schützen.«
    Noch einmal strich sie ihm übers Haar. Dann sank ihr Kopf auf Jakobs Brust, und sie fühlte die Kälte des Todes, die mit gierigen Klauen nach ihr griff. Doch noch hatte die Scherbe ihr Ziel nicht erreicht.
    Grim,
flüsterte sie in Gedanken.
Beeil dich.

Kapitel 55

    er Gang schien kein Ende zu nehmen. Von wenigen Fackeln erleuchtet, führte er immer tiefer in das Grab hinein. Grim bemühte sich, keinen Laut von sich zu geben, während er hinter Theryon an den mit keltischen Symbolen verzierten Wänden vorüberging, und legte die Hand auf Carvens Schulter. Der Junge atmete so flach, dass Grim ihn kaum noch hörte, und spähte in jede Wandnische, in jeden Seitengang, der in flirrendem Licht von dem Korridor abzweigte, den sie beschritten. Die Magie der Feen verrichtete auch hier ihr Werk und machte sichtbar, was lange Zeit vor den Augen der Menschen verborgen gewesen war. Ein Labyrinth aus Gängen entstand rings um die annähernd runde Grabkammer, auf die sie unweigerlich zuliefen, und verzweigte sich wie das Wurzelgeflecht eines uralten Baumes im Inneren der Erde. Grim konnte die Magie der Feen riechen, so stark war sie an diesem Ort — und er nahm auch den Duft der Schneekönigin wahr, die in großer Eile diesen Gang durchschritten hatte. Theryon ging so rasch voran, als befände er sich auf einem Sonntagsausflug und nicht auf dem Weg zu einer mordlustigen Fee. Grim rechnete damit, jeden Augenblick der Königin gegenüberzustehen — oder dem Schreckgespenst Morrígan, die mit grausam entstellter Fratze aus dem Leib der Königin trat. Angespannt bewegte er die Finger seiner rechten Klaue und prüfte die Stärke des Zaubers, der in seinen Fingern darauf wartete, einen Angriff abzuwehren. Misstrauisch schaute er wie Carven in jede Mauernische und jeden sich neu erschaffenden Gang, bis sie endlich die Grabkammer erreichten.
    Das Erste, was Grim sah, war der silberne Wirbel, der sich in der Mitte des Raumes über einem Spalt im Boden erhob und Schneeflocken durcheinanderwälzte. Dann bemerkte er den Sarkophag, der aus einem Loch in der Wand gerissen worden war und mit zerbrochenem Deckel dalag. Er nahm die Klaue von Carvens Schulter und trat näher an den Sarkophag heran. Er war leer. Grim presste die Zähne aufeinander. Die Königin hatte die Überreste ihres Sohnes mit sich genommen und sich tiefer in die A'ng Dh'ùmiel, die unterirdischen Säle der Feen, zurückgezogen. Eilig wollte er auf den Strudel aus Licht und Schnee zutreten, doch Theryon hielt ihn wortlos zurück. Mit bedeutungsvoller Miene hob er einen Stein vom Boden auf, wog ihn kurz in der Hand und warf ihn in den Wirbel. Sofort stürzten sich die Schneeflocken auf den Stein und verbrannten ihn zu einem verschrumpelten Häufchen Asche. Grim stieß die Luft aus. Wenn Theryon ihn nicht gewarnt hätte, wäre er im Licht der Königin verbrannt.
    Mit flüsternden Worten strich Theryon über ein verschlungenes Zeichen in der Wand und öffnete ein

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