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Grim - Das Erbe des Lichts

Grim - Das Erbe des Lichts

Titel: Grim - Das Erbe des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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Portal, hinter dem eine Wendeltreppe abwärtsführte. Grim ließ Carven hinter dem Feenkrieger vorausgehen und folgte ihnen tiefer hinab ins Reich der Feen. Goldene Verzierungen durchzogen den schwarzen Stein der Stufen ebenso wie kunstvoll gearbeitete Mosaike. Früher musste diese Treppe ein beliebter Weg in die Oberwelt gewesen sein. Doch die Zeit hatte ihre Stufen zerfressen, und von der Decke hingen zahllose Stalaktiten, von denen in unregelmäßigen Abständen Wassertropfen herabfielen. Die Treppe wand sich um mehrere Ecken, und Grim spürte die Stille hinter jeder Kurve wie ein lauerndes Tier.
    Angestrengt lauschte er, doch er konnte nichts hören als das ewige Tropfen des Wassers, das sich schließlich zu einem metallenen Klopfen entwickelte. Grim fröstelte, als dieses Geräusch in sein Bewusstsein drang. Mit angehaltenem Atem folgte er Theryon zum Fuß der Treppe, die in einem säulendurchsetzten Saal endete — und fand sich unzähligen Tanks gegenüber. Noch waren sie leer, doch Grim wusste, dass die Königin schon bald weitere Kinder der Menschen in ihnen einsperren würde, um Morrígans Hunger zu stillen. Sein Magen zog sich zusammen, als er an die Vision dachte, die er auf dem Schiff hatte miterleben müssen, und er ballte die Klauen. So weit würde es nicht kommen.
    Lautlos schlich er hinter Theryon und Carven durch das verzweigte Höhlensystem der A'ng Nicht alle Räume waren mit Tanks verunstaltet worden, und Grim wehrte sich vergebens gegen die Faszination, die ihn ergriff angesichts der Schönheit der wie aus einem einzigen Stein geschlagenen Säle mit ihren Säulen aus Marmor und der mit Perlmuttplättchen und Edelsteinen besetzten Gänge. Wieder hatte er das Gefühl, in einer Unterwasserwelt zu sein, und er fühlte erneut die stille Erhabenheit, als er den Blick über die kunstvollen Verzierungen an den Wänden schweifen ließ.
Niemals wird ein Mensch diese Räume wieder betreten,
ging es ihm durch den Kopf,
wenn Carven siegen sollte.
    Mitten in diesen Gedanken hinein hörte er ein Flüstern, das wie ein Hauch aus Schneeflocken über seine Wange strich. Instinktiv hielt er inne, auch Theryon und Carven blieben wie erstarrt stehen. Sie befanden sich in einem mit Lapislazuli verkleideten Korridor, an dessen Seiten mehrere türenlose Räume abzweigten. Zwei goldene Statuen in Form eines Löwen und eines Hahns standen neben einem besonders prunkvollen Durchgang, aus dem nun deutlich die Stimme der Schneekönigin zu hören war.
    Sie schlichen sich näher heran und spähten in einen Raum, dessen Wände vollständig mit Mondstein besetzt waren. Zwölf kreisförmig angeordnete Säulen hielten eine mit blutroten Rubinen verzierte Gewölbedecke, und in der Mitte des Raumes erhob sich ein Podest aus weißem Marmor. Darauf lag ein Feenkind von etwa zwölf Jahren. Es war Auryl, der Sohn der Schneekönigin. Sein farbloses Haar umfloss sein Gesicht wie ein Schleier aus Nebel, und seine Haut war so durchscheinend, dass Grim die dunklen Adern darunter sehen konnte. Seine Fingernägel schimmerten wie Glas. Er war in eine helle Tunika gekleidet, und Grim roch den bedrückenden, kalten Hauch des Todes wie damals in der Vision auf dem Feld in Norwegen. Sanfte Nebel zogen über Auryls Haut, als wäre sein Körper eiskalt und würde die Luft um sich herum zum Erfrieren bringen. Er atmete nicht.
    Da trat die Schneekönigin zwischen zwei Säulen hervor. Ihr perlenbesetztes Kleid glitt mit leisem Rascheln über den Boden. Ihr Gesicht war noch bleicher als gewöhnlich und ließ ihre Augen dunkel und schattenvoll in ihren Höhlen liegen. Sie trug ein gläsernes Gefäß mit blau schimmerndem Inhalt — und hielt das Schwert Kirgans in der anderen Hand. Unwillkürlich spannte Grim die Muskeln an, als sie es zu Auryls Füßen niederlegte. Theryon warf ihm einen Blick zu, und Grim sah, wie die Königin das Glasgefäß öffnete und sich über das Kind beugte, um ihm die Flüssigkeit in den Mund zu träufeln.
    »Trink«, flüsterte sie mit ungewöhnlich zerbrechlicher Stimme. »Trink und kehre zu mir zurück.«
    Im selben Moment schob Theryon sich ins Innere des Raumes. Lautlos wie ein Schatten glitt er hinter den Säulen entlang, bis er im Rücken der Schneekönigin stehen blieb. Grim hielt den Atem an. Schritt für Schritt schob Theryon sich vor, so fließend und ohne jedes Geräusch, als wäre er nicht mehr als der Nebel, der über Auryls Körper glitt und ihn langsam zurück ins Leben holte. Er hatte das Podest fast erreicht,

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