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Grim - Das Erbe des Lichts

Grim - Das Erbe des Lichts

Titel: Grim - Das Erbe des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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von seinem Tod. Grim wandte Theryon seinen Blick zu und erstarrte. Die karge Ebene war aus seinen Augen verschwunden, und stattdessen brandete Grim Finsternis entgegen. Mit tief geneigtem Kopf starrte Theryon die Schneekönigin an, die mitten in der Bewegung verharrte, als hätte sie einen Ruf aus weiter Ferne vernommen, der nur für sie bestimmt gewesen war. Langsam glitt ein Lächeln über ihre Lippen.
    »Du bist ein Narr, Theryon«, sagte sie leise. »Deine Finsternis kann mich nicht bezwingen!«
    Sie wandte sich um, und im selben Moment brach etwas Goldenes durch die Dunkelheit in Theryons Augen, wie ein aufgehender Stern in tiefschwarzer Nacht. Gleichzeitig drang ein Brüllen aus Theryons Kehle, es war ein Schrei aus tiefster Seele, getragen von einer weiblichen Stimme. Mit vor Anstrengung verzerrtem Gesicht zerriss Theryon seine Fesseln, und Grim sah Schleier aus Licht aus seinen Augen brechen und sich zu einem goldenen Körper vereinen. Er erkannte das Antlitz von Aradis — jener Fee, die Theryon liebte. Ihr Blick war schwarz vor Zorn, als sie sich auf die Königin stürzte und sie mit festem Griff umklammerte. Zischend grub sich ihr Licht in den Körper ihrer Feindin. Grim spürte, wie der Bann von ihm wich, und sah, dass die Königin für einen winzigen Augenblick die Kontrolle über Morrígan verlor.
    Ohne zu zögern, sprang Grim vor und riss Morrígans Schatten aus dem Leib der Königin, wie er es unzählige Male mit Dämonen getan hatte, die über fremde Körper herrschten. Doch Morrígan krallte sich mit aller Kraft im Inneren der Königin fest, und als sie deren Körper verließ, riss sie ihre Eingeweide mit sich. Gleich darauf sperrte Morrígan den Mund auf, knisternd ergoss sich ein Strom aus schwarzen Fliegen über Grims Gesicht, doch er ließ ihre Kehle nicht los. Mit einem Schrei schickte er einen Donnerzauber in ihren nebligen Leib, riss sie hoch in die Luft und schleuderte sie mit aller Kraft gegen die nächste Wand. Sofort glitt der goldene Schatten von Aradis ihr nach. Morrígan kam auf die Beine, Grim sah noch, wie sich die Feen gegenüberstanden — ein Gegenspiel aus Licht und Dunkelheit, aus Liebe und Hass —, ehe sie sich mit einem unbarmherzigen Schrei aufeinanderstürzten. Aradis packte Morrígan Schatten an den Schläfen, goldene Bilder rasten durch sie hindurch und setzten ihren schwarzen Leib in flackerndes Licht. Grim sah, wie Theryon neben Carven auf die Knie fiel und mit letzter Kraft einen Heilungszauber durch dessen Körper schickte. Erschöpft sank der Feenkrieger zu Boden, während Carven sich benommen an die Stirn fuhr und auf die Beine kam.
    Da keuchte die Schneekönigin, sie presste sich eine Hand an die Brust, als hätte Morrígan ihr das Herz herausgerissen. Blut lief ihr aus dem Mundwinkel. Grim hob den Arm, ein gleißend heller Blitz traf die Königin und riss das Zepter der Menschen von ihrem Körper. Mit einer Handbewegung zog Grim es zu sich heran und verschmolz es mit seinem Arm. Das Schwert zitterte in der Faust der Königin — und glitt klirrend zu Boden. Mit einem Satz hatte Grim es ergriffen und sprang vor dem blitzschnellen Hieb der Königin zurück, die sich im nächsten Moment schwer atmend an der Säule abstützte.
    »Die Menschen sind der Untergang der Anderwelt«, keuchte sie atemlos.
    Grim lächelte kaum merklich. »Vielleicht eines Tages«, erwiderte er leise. »Doch zuerst sind sie nur eines: dein Verderben. Denn ich bin einer von ihnen.« Lautlos verwandelte er sich in seine menschliche Gestalt. Er erwartete das Tosen in seinem Inneren, die grausame Kälte der Kluft in seiner Brust, die ihn mit lockenden Stimmen zu sich rief — doch er hörte nichts als ein gleichmäßiges, ruhiges Pochen. Es war sein Menschenherz, das da schlug.
    Die Königin schüttelte voller Verachtung den Kopf, ihre Augen verengten sich. »Du bist ein Narr, wenn du dem Jungen vertraust.«
    Grim rührte sich nicht. Aus dem Augenwinkel sah er, wie Carven auf ihn zutrat und wenige Schritte von ihm entfernt stehen blieb. »Du hast recht«, sagte er leise. »Ich bin ein Narr — und viele Menschen sind tatsächlich so, wie du sagst.« Er hielt kurz inne, lächelte, als er das Erstaunen auf ihrem Gesicht sah, und fügte leise hinzu: »Aber nicht alle.«
    Mit diesen Worten warf er Carven das Schwert zu. Für einen Moment sah er den Jungen an, und Carven erwiderte seinen Blick. Noch immer war er der schmächtige kleine Junge, dem Grim in Hortensius' Haus begegnet war — und

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