Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grim - Das Siegel des Feuers

Grim - Das Siegel des Feuers

Titel: Grim - Das Siegel des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
Vom Netzwerk:
können. Und ...«
    »... und hättest Mourier erzählen wollen, dass diese Hybriden einen Hartiden jagen?« Remis verzog das Gesicht. »Erstens ist zu bezweifeln, dass er dir überhaupt Schattenflügler unterstellt hätte — und selbst wenn: Was wäre wohl mit dem Jungen passiert? Du weißt, was Thoron mit Hartiden anstellt.«
    Ein Schatten legte sich auf Grims Gesicht. Ja ... das wusste er. »Und vermutlich hätte Mourier nicht anders reagiert als jetzt«, sagte Remis. »Du hättest nichts tun können.«
    Grim schwieg. Remis hatte recht, das war ihm bewusst, und doch erschienen ihm die Worte des Kobolds wie lachende Masken über toten Gesichtern. Vielleicht war es gleichgültig, wie man es nannte: Schuld, Zweifel, Dunkelheit. Grim wusste nur eines: Er war dabei gewesen. Er hatte gesehen, wie Jakob eine Waffe gezogen, sie sich an die Schläfe gehalten und abgedrückt hatte. Und er hatte es nicht verhindern können.
    Sie erreichten den Friedhof Montmartre, und Grim rauschte über die Wipfel der Bäume und die im Regen schimmernden Grabsteine hinweg. Remis wies ihm den Weg, bis sie ein neues Grab erreichten. Der Hügel wurde von einer grünen Plane vor dem Regen geschützt, Blumen und Kränze lagen darum herum. Einen Grabstein gab es noch nicht. Stattdessen war da ein Mensch, ein Mädchen, um genau zu sein. Sie stand regungslos, der Regen durchnässte ihre Haare und perlte von ihrem Gesicht ab, die Tropfen blieben an ihren Wimpern hängen, doch sie rührte sich nicht.
    Grim landete lautlos auf einer nahe stehenden Kapelle und schaute zu ihr hinüber. Wie eine Puppe stand sie da, klein und verletzlich. Er spürte ihre Traurigkeit, konnte ihr Blut riechen, das verzweifelt in ihren Adern rauschte, und er fühlte die Tränen, die in ihr verschlossen waren wie Gold in einer Truhe. Etwas in ihm wollte sich abwenden, wollte davonfliegen, wie er es immer getan hatte seit damals, wollte nicht teilhaben an ihrem Schicksal. Doch er blieb. Da stand sie trauernd am Grab ihres Bruders, bleich wie eine Figur aus Wachs.
    Und wieder durchzuckte es ihn: Hätte er den Jungen retten können? Er spürte, dass er diese Frage mit sich tragen würde so lange er lebte. Und noch eines wurde ihm bewusst: Er hatte für Jakob die Verantwortung übernommen. Er hatte es schon damals in der Arena getan, als Moira gesagt hatte:
Gib auf ihn acht,
ohne ihn darum zu bitten. Und jetzt — jetzt würde er ein Auge auf das Mädchen haben. Die Schwarzmagier hatten ihren Bruder nicht ohne Grund verfolgt. Sollte sie tatsächlich im Besitz des Pergaments mit dem Siegel des Feuers sein, schwebte sie in Gefahr. Er würde sie nicht allein lassen.
    Kaum hatte er das gedacht, zerbrach die Mauer zwischen ihm und der Welt. Er hörte den Regen wieder, das Rauschen der Bäume, den pfeifenden Wind und Remis, der die ganze Zeit über tröstend auf ihn einredete. Grim holte tief Luft und sah, wie das Mädchen sich rührte. Sie hob den Kopf und blinzelte durch die Finsternis in seine Richtung, als könnte sie ihn erkennen. Ein seltsames Gefühl ergriff ihn, als er ihren suchenden, wachsamen Blick spürte, eine flüsternde Zärtlichkeit, die er so noch nie empfunden hatte. Er konnte sie sich nicht erklären, aber sie durchströmte ihn wie der Gedanke an Sonne und Licht. Regungslos verharrte er, bis sie sich abwandte und den langen, gewundenen Weg hinabging.
    Er wartete, bis sie das andere Ende des Friedhofs erreicht hatte. Er wollte nicht, dass sie ihn bemerkte und es womöglich mit der Angst bekam. Da verstummten ihre Schritte. Gerade wollte er ihr folgen, als er ein Zischen hörte, klar und schneidend wie Pfeile in der Luft. Noch ehe er sie sah, wusste er, dass sie es waren. Hybriden flogen über den Friedhof, es waren fünf oder sechs. Ihre Umhänge flatterten im Wind, und sie verfolgten das Mädchen. Ein Grollen drang aus Grims Kehle.
    »Was hast du ...«, konnte Remis noch sagen, doch im nächsten Moment raste er in Grims Faust durch die Nacht, so schnell, dass ihm das Haar wie ein Segeltuch bei steifer Brise vom Kopf abstand. Seine Wangen zitterten im Wind. »Wuas haaast du vouaaa?«, rief er und krallte seine Koboldhände in Grims Klaue.
    Grim antwortete nicht. Nicht weit entfernt sah er die Hybriden. Sie hatten das Mädchen umzingelt und offensichtlich nicht vor, sich lange mit ihr aufzuhalten. Schon ließen sie grünes Feuer über ihre Körper laufen und streckten gleichzeitig die Hände nach ihr aus. Fast hatte Grim sie erreicht. Da sah er, wie das Mädchen nach

Weitere Kostenlose Bücher