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Grim

Grim

Titel: Grim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Schwartz
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die Anspannung in ihren Stimmen zu ignorieren. Lyskian ging ihnen voraus, schweigend und so lautlos, als wäre er selbst nicht mehr als ein Schatten, und sie zog sich den aschefarbenen Mantel enger um den Leib, als die Flamme n eines Feuerherdes nach ihr griffen. Noch einmal stieg ihr der Geruch des Nachtmarktes in die Nase, auf den Lyskian sie geführt hatte. Vor allem Gnome boten dort ihre Waren feil, und der Gestank gebratener Hunde und Katzen hatte in der Luft gelegen. Radvina hatte ihre Schuhe entsorgt und Stiefel aus grünem Leder bekommen, die sie im Zusammenspiel mit ihrem zerrissenen Kostüm aussehen ließen wie eine halb verwandelte Superheldin, und Edwin war nicht umhingekommen, seine Brille gegen ein Trollglas zu tauschen, das ihn per Knopfdruck die Welt mit den Augen eines Kobolds, eines Schattengnoms oder eines Steintrolls sehen ließ. Selbst Jaro hatte kurz gelächelt, als Lyskian ihm ein Messer aus Schwarzem Stahl mit einem Griff aus geschnitzten Harpyienknochen geschenkt hatte. Rot glommen verschlungene Dämonenzeichen auf der Klinge. Die Waffe eines Kriegers , hatte der Vampir gesagt, und für einen Moment war ein ungewohnter Schatten durch Jaros Blick gegangen. Dann hatte Lyskian ihnen bodenlange, kapuzenbewehrte Umhänge gekauft, die eine angenehme Kühle verströmten und sie zumindest kurzzeitig vor dem Fluchfeuer schützten, das die Kanalisation durchzog und mit jedem Schritt dichter wurde – mit jedem Schritt, den sie sich der Prager Burg näherten.
    Eilig durchquerte Mia einen Flammenschleier, der sich von einer Wand zur anderen zog. Das Feuer griff nach ihr, sie spürte die Hitze auf ihrem Gesicht, selbst wenn die Funken von ihrem Umhang abglitten, und sah schließlich das Flackern am Ende des Tunnels, das in unheilvollem Prasseln die Schatten zurückdrängte. Jetzt war es nicht mehr weit bis zu ihrem Ziel. Sie kannte die Geschichten, die in der Menschenwelt über das Goldene Gässchen erzählt wurden, sie wusste, dass unter Rudolf II . Alchemisten an diesem Ort gewirkt haben sollten, um für den Kaiser Gold und den Stein der Weisen zu erschaffen, und sie hatte auch die Legenden der Anderwelt gehört, die von Geistern und Untoten berichteten und von der Magie, die in den Mauern verborgen lag, ganz gleich, in welcher Wirklichkeit man diesen Ort besuchte – denn Prag besaß mehr als eine davon. Sie holte tief Atem, als sie an das Haus zur Letzten Laterne dachte, jenen magischen Ort im Goldenen Gässchen, der ins unsichtbare Prag hinüberführte. Sie kannte diese geheimnisvolle Welt jenseits der Schwelle bislang nur aus Erzählungen, und für einen Augenblick zog ein Kribbeln durch ihre Magengegend, das sich verteufelt nach Abenteuerlust anfühlte. Doch gleich darauf spürte sie wieder die Glut des Fluchfeuers auf ihren Wangen und schob jeden Anflug von Verzauberung beiseite. Sie würden nicht ohne Grund in diese Welt eintauchen.
    Der Zauber dieses Dämons ist nicht leicht zu brechen, hatte Samhur gesagt. Zweierlei ist dafür nötig – der Prinz der Vampire weiß, wo ihr beides bekommen könnt. Unterdessen werde ich mit unserem Schattenflügler und seinem klugen Kobold eine Möglichkeit finden, um gegen die geballte Kraft seiner besetzten Kollegen anzukommen.
    Der Jäger hatte Grims Einwände nicht gelten lassen, und so hatten sie sich getrennt voneinander auf den Weg gemacht. Für einen Moment wandte Mia noch einmal den Blick zurück, wie sie es in dem Keller des Herrenhauses getan hatte, und sah Grim in den Schatten stehen. Er hatte sie nicht angeschaut, hatte vermutlich nicht einmal gemerkt, dass sie zu ihm zurückgesehen hatte, und umso stärker fühlte sie nun das dunkle Glimmen in seinen Augen, das sie schaudern ließ. Gemeinsam mit Samhur würde er in die Unterwelt hinabsteigen, gemeinsam mit dem Jäger, der die Glut kannte, die nach ihm griff. Mia ballte die Fäuste, sie fühlte noch einmal den Drang, sich umzudrehen und zu Grim zurückzulaufen – und dann den Schmerz über die Erkenntnis, dass sie ihn nicht bewahren konnte vor dem, was in den Schatten auf ihn wartete. Abrupt hatte sie sich abgewandt und war Lyskian und den anderen gefolgt, doch Grims Gestalt stand ihr so deutlich vor Augen, als würde sie ihm dabei zusehen müssen, wie er rücklings in eine namenlose Finsternis fiel. Mit aller Kraft drängte sie diese Gedanken beiseite und zwang Lyskians Stimme in ihre Gedanken.
    Zuerst brauchen wir ein Gift, das den Flüchen der Dämonen gewachsen ist , hatte er ihr erklärt.

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