Grim
Verwegenheit lange Strähnen hervor, und einige Borsten rebellierten mitten auf dem Kopf ganz nach dem Vorbild der Irokesen gegen das Diktat seiner seidig glatten Schläfen. Er war ein wenig füllig, doch seine Krallen funkelten frisch gewetzt im Licht der Lampe, die über der Eingangstür hing, und als er blinzelte, erkannte Grim ein grünes Glimmen in seinen Augen.
»Oberweltler«, zischte er und spuckte das Wort aus, als wäre es ein verdorbenes Stück Fleisch.
»Du solltest dir überlegen, wem du in den Weg trittst, Dorken«, raunte Samhur und fixierte den Dämon in dem Katzenleib mit finsterem Blick.
Dieser jedoch schien nicht im Mindesten beeindruckt zu sein. Er hob in beängstigender Menschlichkeit die Brauen, musterte Samhur von oben bis unten und stieß dann leise und verächtlich die Luft aus. »Ein Jäger wie du sollte einen besseren Blick haben für Kreaturen meiner Art«, erwiderte er und legte in bissigem Spott den Kopf schief. Erst jetzt bemerkte Grim den blauschimmernden Schmiss an seinem Hals, der nur spärlich von Fell bedeckt war und ihn als Khara’zay offenbarte – als einen einstigen Sklaven, dem noch zu Hochzeiten der Knechtschaft seines Volkes die Freiheit geschenkt worden war und der dennoch aus freien Stücken bei seinem vampirischen Herrn geblieben war. Der Kater wandte den Blick, als hätte er Grims Gedanken gehört, und schob stolz das Kinn vor. »Mein Name ist Lheki Baranow, Erster Vertrauter Ihrer Majestät der Nacht, sechster Grad, zweiter Kreis, Naley.«
Er stand so stolz da, dass Grim ihn kurz in strahlender Rüstung vor sich sah und lächeln musste. Samhur hingegen schien die Worte des Katers kaum wahrgenommen zu haben. »Du treibst dich in Tierkörpern herum, weil deine Kraft zu Größerem nicht reicht«, stellte er fest. Seine Stimme war ebenso abschätzig wie der Blick des Katers, und doch hörte Grim deutlich die Kälte in ihr, die das Gesicht des Jägers von einem Moment zum anderen zu einer Fratze verzerren konnte. Doch Lheki ließ sich nicht provozieren.
»Ein Katzenkörper ist etwas Feines«, erwiderte er gelassen. Mit knirschendem Geräusch zog er eine Kralle über die Veranda, und sofort flammten glimmende Zeichen in dem Gebäude auf, deren Hitze Grim nun schmerzhaft entgegenschlug. Remis hielt den Atem an, aber Samhur rührte sich nicht. Er zog nur die Brauen zusammen, während Lheki amüsiert zu ihm aufsah. »Und seht selbst – sogar einen Jäger wie Euch kann ich daran hindern, diese Treppe zu betreten, ist das nicht erstaunlich?«
Remis hustete, um sein Lachen zu übertünchen, doch Samhur achtete nicht auf ihn.
»Ich werde es nicht dulden, dass mir ein minderwertiger Dämon den Weg versperrt.« Seine Stimme brachte die Glut der Zeichen zum Lodern. »Ich muss in dringender Angelegenheit mit der Zarin sprechen und meine Zeit ist knapp. Ich fordere dich zum letzten Mal auf: Weiche vor meinem Willen!«
Er umfasste den Griff einer diamantenen Fessel und ließ die schwarzen Zeichen auf seiner Haut auflodern. Lheki fuhr zurück, als wäre ihm eisiger Wind entgegengeschlagen, und die Zeichen auf der Veranda flackerten – doch sie erloschen nicht. Mit finsterer Miene grub der Dämon die Krallen in den Stein. Seine Stimme war kaum zu hören, als er flüsterte: »Ein Jäger der Fünf.« Ein Flackern ging durch seinen Blick, eine Mischung aus Sehnsucht und Furcht. »Ich hörte viel von Euch«, sagte er, während er langsam seine Krallen aus dem Gebäude zog. »Viel von Euren Heldentaten aus den Schriften der Vampire, viel Geflüstertes und Sagenhaftes in den Schatten, und wie für jeden Dämon seid Ihr mein Schrecken gewesen in jeder grauen Stunde, in die mein Dasein mich verschlug. Samhur mit den Augen des Frosts. Samhur, der die Singenden Schakale mit einem Fingerzeig verbrannte, die Gespielinnen des Khans von Jericho, Samhur, der die Wälder des Südens von den Xay der Dämmerung befreite – Samhur, der unzählige Kinder des Zorns erschlug. Ich hörte von dem Wahnsinn in Euren Augen, doch nun, da Ihr vor mir steht, fühle ich keine Angst. Ihr seid ein Rhak’ Hontay, ein Feind, der mich töten will für das, wa s ich bin, und … es ist mir gleich, versteht Ihr?« Etwas wie ein Lächeln glitt über sein Gesicht. Dann kniff er die Augen zusammen, und sein Blick bekam etwas Stechendes. »Ich weiß, was gerade vor sich geht in der Oberwelt, ich weiß, dass Teile meines Volkes nach der Macht greifen. Wieder einmal wollen sie Unheil über die Welt bringen, und ich kenne
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