Grim

zurück. Schmerz flog über sein Gesicht, aber er rührte nicht von der Hitze der Berührung her. Sein Name war Aros , sagte er leise. Ich lernte von ihm, und ich begann, ihn zu lieben, ihn wirklich zu lieben und mit ihm die ganze Welt. Als er starb, sah er mich an – staunend, als wäre ich ein Wunder.
    Grim schwieg für einen Moment. Überdeutlich fühlte er den letzten Atemzug von Monsieur Pité auf seinem Gesicht. Ich kann mir vorstellen, wie … , begann er dann, doch Verus stieß die Luft aus.
    Nichts kannst du, törichter Hybrid! Ich bin ein Dämon – ich habe keinen Körper jenseits dieser Illusion! Und doch wurde mir die Welt aus dem Leib gerissen!
    Er stützte sich an der Wand ab, und als Blut aus seinem Mund rann, da wusste Grim, dass Verus recht hatte. Damals, als dieser Junge gestorben war, hätte es ihn beinahe ebenfalls das Leben gekostet.
    Und dennoch irrst du dich , sagte Grim. Du bist vor diesem Bild geflohen. Du glaubst, es zu verlieren, wenn es keine Spiegel mehr gibt, Spiegel wie mich, nicht wahr? Verus schaute ihn an, sein Blick ein Abgrund aus Dunkelheit. Grim nickte kaum merklich. So ist es , fuhr er fort. Deswegen gierst du nach der Flamme. Sie hätte dich gefressen, sie hätte dir dieses Bild genommen und du hättest vergessen, was du bist. Das ist es, was du wolltest, denn diese Erinnerung inmitten deiner Kälte flüstert dir zu: Damals warst du … am Leben.
    Da fuhr Verus zusammen. Bilder flammten in seinen Augen auf, Grim hörte das Lachen des Jungen, er sah Wälder in tiefem Grün und fühlte Licht und Schatten auf seiner Haut, so klar und intensiv, als spürte er sie zum ersten Mal. Er rannte über den Waldboden, er sprang in einen schwarzen See, er schrie so laut, dass seine Stimme sich überschlug, und die Freude in seiner Brust war übermenschlich und heftig und so wunderbar, dass er beinahe gelacht hätte. Nie zuvor hatte er auf diese Weise gefühlt, nie zuvor so geatmet und geweint, und dann fand er den Jungen sterbend in Verus’ Armen, und er sah eine goldene Sonne am Horizont aufgehen. Er beobachtete, wie der Dämon die Gestalt des Kindes annahm, wie er es heranwachsen ließ und schließlich den Kopf in den Nacken legte und schrie, und da spürte Grim seine Hilflosigkeit und die Verzweiflung, seinen Freund nicht vor dem Flügelschlag hatte bewahren zu können, der ihn fortgetragen hatte – und er wurde selbst fast zerrissen von diesem Schmerz. Und doch glomm etwas in all der Verzweiflung, etwas Starkes und Gutes, und dieses Licht war es, das sich in Verus’ Augen brach, das Grim Luft holen ließ und ihn für einen Moment mit solcher Macht erfüllte, dass er nichts mehr dachte und wusste als dies: golden.
    Verus neigte leicht den Kopf und als er Grim ansah, zuckte dieser zusammen. Was war es, das plötzlich in den Augen des Dämons stand, was nur, das Grim nicht ertrug?
    Da glitt ein Lächeln über Verus’ Lippen, das erste Lächeln seit sie sich kannten, das keine Bosheit in sich trug. Der Dämon ließ sich auf die Knie sinken und umfasste Grim mit seinem Blick. Du weißt so wenig, einsamer Hybrid , raunte er. Ich wünsche dir, dass das so bleibt.
    Grim sah zu, wie Verus das Zepter der Menschen von seinem Arm löste, und er erschrak, als Flammen um ihn herum ausbrachen – Flammen von unglaublicher Kraft. Glühend senkten sie sich in sein Fleisch, er hörte das Brüllen uralter Dämonenkräfte, und er wich vor Verus zurück. Noch immer war die Macht seines Volkes stark in ihm, wie hatte er glauben können, diesen Dämon so leicht bezwingen zu können? Er hob die Klaue in Erwartung eines Schlages, doch Verus sah ihn nur an.
    Flieh , sagte er und ergriff die Hand des Kindes. Das Licht der Sonne fraß sich in seine Haut. Im selben Moment schlugen die Flammen nach Grim, und es war Verus’ Schrei, der ihn aus dem Dämon hinaustrug, donnernd und mächtig:
    FLIEH !
    In rasender Geschwindigkeit jagte Grim durch Tunnel aus Licht und Finsternis, er spürte Sturmwind in seinem Haar und fand sich gleich darauf auf einem halb zerstörten Dach in Prag wieder. Verus stand ihm gegenüber, sein Körper war noch immer schwer verwundet, doch seine Augen waren die eines Drachen. Flammen brachen aus seiner Haut, und als er sich in Drachengestalt in die Luft erhob und brüllte, wich Grim vor der Gewalt in seiner Stimme zurück. Der goldene Glanz, der sich über die Körper der Dämonen gelegt hatte, zerriss. Viele verbrannten in Verus’ Schrei, andere traten die Flucht an, während die