Grim
überlassen und nichts mehr zu fühlen und zu wissen als das goldene Licht hinter der Stirn. Übermächtig hörte er ihre Stimme aufwallen, und er wusste, dass er nur den Kopf vor ihr neigen musste, um ihre Kraft in seinen Gliedern zu spüren – doch er zögerte. Vielleicht war es nicht mehr als ein Flüstern tief in seiner eigenen Dunkelheit, ein schwacher Ruf, den er noch nicht begreifen konnte. Vielleicht war es auch der seltsame Schimmer in Verus’ Augen, der seine Züge ganz sanft machte und ihn so menschlich erscheinen ließ, dass etwas in Grim die Klaue nach ihm ausstrecken und ihn berühren wollte. Doch was immer es war, es genügte, um ihn für einen kurzen Moment innehalten zu lassen und das Brennen in seiner Brust zu ertragen, und er verharrte auf seinen Knien, den Blick in dem goldenen Himmel versunken. Dann brach sein Widerstand, er schmolz im Glanz dieses Lichts, dumpf nur spürte Grim den Schrecken über diese Erkenntnis, und er sah sich die Klaue nach Verus ausstrecken und langsam den Kopf neigen.
Er fuhr zusammen, als plötzlich Rufe zu ihm herüberdrangen, unwirklich, als würden sie ihn in tiefem Traum erreichen. Aber er erkannte Kronks Stimme, auch Walli konnte er hören, und als ihre Schritte näher kamen, beugte Verus sich langsam zu ihm nieder. Seine Worte glitten wie Messerschnitte durch Grims Gedanken und ließen ihn die Klaue zurückreißen, die Verus fast erreicht hatte.
Diese Sehnsucht ist ein Teil von dir , raunte der Dämon mit rätselhaftem Lächeln. Sie wird dich zu der Flamme treiben, früher oder später, und du wirst ohne Furcht sein, weil du sie nicht mit einem Wesen wie mir verbindest. Und doch bin ich es, in dessen Arme sie dich zieht, ich, der dir erstmals dieses Gefühl gab – und ich werde es sein, der dir die Welt schenken wird, in der es dauerhaft leben kann.
Schwer atmend wich Grim zurück, als er sich in seiner Kirche wiederfand. Verus stand da wie zuvor, doch er selbst musste sich am Altar abstützen, um nicht zu schwanken. Noch immer spürte er das Gold aus den Augen des Dämons so deutlich auf seiner Haut, dass er meinte, er müsste verbrennen, und obgleich er die Kälte der Flamme wieder in seinen Venen fühlte, brannte gleichzeitig etwas in ihm so übermächtig, dass er sich an die Brust griff.
Verus trat auf ihn zu. Du wurdest für die Flamme geboren , sagte er. Du wurdest geboren, um die Welt zu verändern. Nun trägst du sie in dir. Nun bist du angekommen. Du bist der Sehnsucht gefolgt – weil es in deiner Natur liegt. Sieh, was du bist, Kind des Feuers!
Sanft legte Verus ihm die Hand an die Schläfe, Grim wich zurück, doch da glitt ein gleißendes Licht in seinen Schädel und explodierte in tausend Funken. Im nächsten Augenblick war alles Schmerz. Die Kälte in ihm wallte auf, übermächtig riss sie an seinen Gliedern, durchdrang jede Vene, jeden Muskelstrang. Donnernd brach sie über das Brennen seiner Brust herein, sie erstickte es, als wäre es nicht mehr als eine blasse Erinnerung, und gleich darauf empfand er keinen Schmerz mehr, keine Anspannung, keine Unruhe. Stattdessen schoss die Kraft der Flamme durch seine Glieder, verzehrte seinen Leib und bildete ihn neu, und er spürte ihre Glut in seiner Lunge und entließ sie in dröhnendem Gelächter. Schon einmal hatte er etwas Ähnliches empfunden, er erinnerte sich an die Welt der Götter, und er breitete seine Schwingen aus und stob aus dem Dach der Kirche und durch sein Reich der Schatten, bis er als gewaltiger Engel aus Feuer aus den Tiefen der Erde brach.
Unter ihm lag die Welt der Menschen. Für einen Moment schwebte er reglos über den Dächern, doch dann sandte er seine Sinne aus, und er begriff, dass er nicht nur der Engel war, der auf die Erde hinabschaute. Er fegte als Wind über die Gipfel der Anden, war die Kälte der Sahara und die Hitze in den Straßen von Bangkok, er lag in tiefem Schlaf hoch oben in den eiskalten Wäldern des Nordens und verbrannte die Erde der Savanne mit seinen Strahlen. Er war alles, und kaum hatte er das gedacht, wollte er mehr sein, viel mehr als das, was ihn jetzt umgab. Ein Wort klang in ihm wider wie Schlachtengebrüll. Arrmonghur. Der Ruf der Car’lay Ythem ließ ihn die Fäuste ballen, er trieb ihn hinab zu den Dächern der Menschen, und als er die Schwingen ausbreitete und brüllte, setzte er die Welt mit nicht mehr als einem Gedanken in schwarze Flammen.
Sein Feuer stob aus den Häusern und zerrieb sie zu Staub, es verbrannte Meere und Berge und erschuf
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