Grimes, Martha - Inspektor Jury 17 - Die Trauer trägt Schwarz
gewissen anderen Leuten.« Er warf Beaumont und Fletcher einen bösen Blick zu und fragte dann: »Was habt ihr Burschen denn überhaupt geschrieben?« Jury freute sich, als er sah, wie ihre Gesichter rot anliefen.
»Giovanni und Arabella oder Schade, dass sie eine Hure ist«, rief Ben Jonson aus. »Megs, Megs! Wir reden grade von dir! Her mit dem Wein! Ein ausgezeichnetes Stück! Lief ein halbes Jahr im Duchess.«
Dr. Johnson drehte sich um und schlug mit dem Kopf gegen einen der kräftigen Stützbalken der Taverne. »Falsches Jahrhundert, Sie Idiot! Das Theater wurde erst ein paar Jahrhunderte später erbaut!«
Ben Jonson, schwer damit beschäftigt, die gute Megs in den Hintern zu kneifen, sagte: »]a, Sie haben Recht.«
»Man wundert sich natürlich«, meinte Shakespeare, »über unseren Sam da hinten. Sie haben nichts zu sagen, Sam, was wollen Sie also hier?«
Nur Schweigen drang für einen Augenblick aus der dunklen Ecke dort hinten. Dann sagte Samuel Johnson: »Patrouillieren. Man muss doch patrouillieren. Man muss die Literaturszene beobachten. Dagegen hätte ich nichts, wenn mir bloß dieser Trottel Pepys nicht dauernd folgen würde.«
Dann sah Jury zu, wie sich die Szene auflöste, und wandte den Schritt in Richtung Ludgate Hill. Konnte man gleichzeitig in Hochstimmung sein und sich ernüchtert fühlen? Offensichtlich ja, sagte er sich trübselig. Es war nur ein paar Minuten bis Ludgate und zu den engen kleinen Straßen, die die Baustelle säumten. Er starrte eine Weile auf die leere Fläche, bevor er Mickeys Foto vom Blue Last herauszog.
Ein dreigeschossiges Gebäude war darauf zu sehen, das den umliegenden Häusern ähnelte, mit Giebel, Dachgaubenfenster und einer Tür, die in einem dunkleren Farbton gestrichen war als das übrige Bauwerk. Es war Weihnachten, vier oder fünf Tage, bevor die Bomben fielen. Die Weihnachtdekoration - die Lichterkette, die am Dach entlang und um die Fenster im Erdgeschoss verlief - wirkte auf Jury furchtbar traurig. Ein Mann, Francis Croft, und Oliver Tynedales Tochter Alexandra standen vor dem Pub und lächelten, leicht geblendet von der Wintersonne. Wenige Tage später wäre ihr Leben und das der Familien all jener, die unglücklicherweise im Pub gewesen waren, auf furchtbare und unwiderrufliche Weise verändert.
Alexandra Herrick war sogar auf dieser verwackelten, ungeschickten Abbildung als Schönheit zu erkennen, wenngleich man sich ihre Haut- und Haarfarbe dazu denken musste, was Jury nicht schwer fiel. Das Baby war vermutlich ebenfalls sehr ansehnlich. Hier war die Kleine, in eine Decke gehüllt. Dann betrachtete er das Foto, auf dem das Baby über Alexandras Schulter schaute.
Jury besah sich jenes Bild eingehend, auf dem Kitty Riordin ihr eigenes Baby auf dem Arm hatte. Auch Erin, die ein Mützchen trug, schaute ihrer Mutter über die Schulter. Wie war das, was Mickey glaubte, überhaupt möglich? Wie konnte man ein Kind durch ein anderes ersetzen, ohne dass jemand etwas merkte? Wenn er beide Kinder gesehen hätte und dann das eine oder das andere hätte identifizieren sollen... ? Er bezweifelte, dass er dazu fähig gewesen wäre. Aber die Mütter wüssten doch Bescheid. Darauf wollte Mickey ja hinaus. Wenn Kitty behauptete, das Baby, das sie im Kinderwagen spazieren gefahren hatte, sei Maisie Tynedale Herrick gewesen, wer würde ihr da widersprechen ? Wer wollte ihr widersprechen? Im Fall von Maisie gab es einen Großvater, Onkel und Tanten -eine ganze Latte von Leuten, die mehr Wert darauf legten, dass Maisie am Leben war, als dass sie sich darum scherten, ob Erin lebte. Nur ein völlig verhärteter Zyniker - immerhin herrschte Krieg - konnte Kitty Riordin eine so entsetzliche Frage stellen, einer Frau, deren eigenes Kind höchstwahrscheinlich im Blue Last umgekommen war, unter Trümmern begraben.
Nein, Mickey hatte schon Recht mit seinem Argwohn: die Mädchen hätten sehr wohl vertauscht sein können.
Die andere Variante war aber genauso möglich: Alexandras Baby Maisie war tatsächlich Maisie, und Mickey irrte sich. Jury starrte vor sich auf die leere Fassade eines Bürogebäudes, die ihm als eine Art Leinwand diente, auf die er seine Gedanken projizieren konnte.
London in jenen entsetzlichen letzten Monaten des Jahres 1940. Leute, die es miterlebt hatten, hatte er sagen hören, wenn man damals das durchdringende Pfeifen hören konnte, hatte die Bombe einen schon verfehlt und war woanders hingeflogen. Im Frühjahr jenes Jahres nannten die Leute es den
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