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Grimes, Martha - Inspektor Jury 17 - Die Trauer trägt Schwarz

Grimes, Martha - Inspektor Jury 17 - Die Trauer trägt Schwarz

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury 17 - Die Trauer trägt Schwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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hatte. Mr. Beaton würde es bestenfalls Melrose' Nachlässigkeit, schlimmstenfalls seiner Schludrigkeit zuschreiben. Mr. Beaton blieb sich immer gleich: immer im Cut, immer mit dem Maßband um den Hals.
    Mr. Beatons Lehrling - diesmal war es ein hoch gewachsener Jüngling mit eckigen Bewegungen und rötlich blondem Haarschopf - ahmte die knappe Verbeugung nach.
    »Nun, wenn Sie Ihre Zeichnung mitgebracht haben, will ich sehen, was ich tun kann.«
    Melrose holte das Bild hervor, dass er im Coffee Shop bei Liberty's gezeichnet hatte. »Wegen der Größe bin ich mir ziemlich sicher, Mr. Beaton. Für solche Dinge habe ich ein gutes Gedächtnis. « Ach, wirklich ?
    Mr. Beaton wies seinen Lehrling an, bestimmte Stoffballen zu bringen. Der junge Mann schlüpfte in den hinteren Teil des Etablissements und war ein paar Sekunden später mit den Stoffballen wieder da.
    »Fühlen Sie einmal, Lord Ardry.« Zärtlich hielt ihm der Schneider einige Zentimeter Stoff von einem der Ballen entgegen.
    In Gegenwart von Mr. Beaton verspürte Melrose immer eine gewisse Demut, denn die Haltung, die dieser alte Mann dem Stoff gegenüber an den T ag legte, war die eines Priesters gegenüber dem Abendmahlskelch. In dem Moment drang wie durch eine glückliche Fügung Sonnenlicht durch die kleinen Scheiben und warf ein Gittermuster auf den Stoff. Melrose befühlte die Wolle und seufzte. Gewobene Luft, gesponnenes Sonnenlicht. Nie hatte Melrose etwas so Weiches und Federleichtes gespürt.
    »Es ist Seidenkammgarn, eine ganz feine Qualität. Ginge das?«
    »Es geht wunderbar, Mr. Beaton.« Nachdenklich am Ohrläppchen zupfend, betrachtete der Schneider Melrose' Skizze. »Eine hübsche Herausforderung. Ich habe so etwas noch nie gemacht. Bis wann brauchten Sie es denn, Lord Ardry?«
    Melrose errötete. »Hmm, ich bitte Sie höchst ungern - hm, weil doch Weihnachten ist und - aber wissen Sie, ich fahre heute Abend zurück nach Northamptonshire und... es ist etwas, was ich eigentlich vorher gern noch abgeben würde - wenn es möglich ist?«
    »Mit anderen Worten, sofort.«
    »Ginge das denn?«
    Aus einem wahrhaftigen Taschenuhrtäschchen zog Mr. Beaton seine Taschenuhr hervor und sagte: »Es ist gleich drei... Sagen wir bis sechs? Oder Sie rufen mich um fünf an, um zu sehen, wie ich zurechtkomme.«
    »Großartig! Dann komme ich wieder. Übrigens, keine Sorge, es muss nicht perfekt sein.«
    Mr. Beaton zog die Augenbrauen hoch. »Verzeihung?«
    Der Lehrling zwinkerte kurz und heftig. Selbst ihm war diese unelegante Bemerkung nicht entgangen.
    Und so schlich Melrose die schmale Treppe hinunter und fühlte sich taktlos und ungehobelt und ohne den rechten Sinn für ästhetisch Ansprechendes.
    Wenn Mr. Beaton Schere und Faden zückte, gab es so etwas wie »weniger als perfekt« einfach nicht.
    Melrose fuhr mit dem Taxi zurück zu Boring's, wo er nervös herummachte, packte und Nägel kaute, eine kindische Angewohnheit, die er nie hatte ablegen können. Er schien nur Nägel zu kauen, wenn er ganz in etwas vertieft war - wirklich vertieft, was selten vorkam, nur wenn er Henry James oder Proust las oder an einem von Jurys Fällen arbeitete. (Ob Jury sich dadurch geschmeichelt fühlen würde? Immerhin war Proust keine Flasche.) Und in diesen Fall war er in der Tat sehr vertieft. Er lag auf dem Bett und dachte nach. Es gab da etwas, was keiner von ihnen gesehen hatte, und zwar etwas ganz Offensichtliches. Es kam ihm jedenfalls plötzlich ganz offensichtlich vor. Wenig später schon stolperte er mit seiner einen Reisetasche nach unten.
    Es war fünf Uhr vorbei, und Melrose beschloss, nicht anzurufen, sondern gleich zu Mr. Beaton zu fahren. Er genehmigte sich einen Whisky, während er auf den Pagen wartete, der sich um Schlüssel und Autos kümmerte und letztere zum Parken an einen mysteriösen Ort fuhr (in eine Garage? auf ein Häuserdach?), über den nur er Bescheid wusste, um sie schließlich wieder zurückzufahren, so dass sie wie von Zauberhand draußen vor der Tür von Boring's auftauchten.
    Melrose gab dem Burschen ein stattliches Trinkgeld und meinte, er habe wahrscheinlich den wichtigsten Job in ganz London, denn die Leute würden bestimmt alles darum geben, sich von einem den Wagen parken zu lassen. Dann stieg er ein, hob in der hereinbrechenden Dunkelheit den Blick himmelwärts und dankte Gott, dass er Geld hatte.
    Als er die Old Brompton Road erreichte, stellte er den Wagen (da ihm nichts anderes übrig blieb) im Parkverbot ab und lief, zwei Stufen

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