Grimes, Martha - Inspektor Jury 17 - Die Trauer trägt Schwarz
auch nicht alles!« »Aber so ziemlich. Such dir was als Ruder.«
In dem Moment schaltete sich in Gemma etwas aus und etwas anderes an. Es ging nicht mehr um die Frage, ob sie in der Themse ertrinken würde, sondern ob sie schlauer war als die beiden Frauen, die sie hierher geschafft hatten. Sie rannte zu der Falltür und stolperte die Treppe hinunter. In der kleinen Küche riss sie Schubladen auf und schleuderte Sachen heraus -nutzloses Besteck, Scheren, Plastiksachen - in den Schubladen war alles Mögliche: Messer, Flaschenverschlüsse, Bindfaden. Schließlich entdeckte sie einen großen Pfannenheber, bei dessen Anblick sie daran denken musste, wie Mrs. MacLeish Omelett machte: Sie hob die schon gebackene Eimasse mit dem Pfannenheber leicht an, dass das Ungebackene außen herum verlief. Wie Wasser um ein Ruder. Na ja, besser als gar nichts. Unter den übrigen Utensilien fand sie einen großen Suppenschöpfer. Damit müsste es gehen.
Sie hielt inne, setzte sich auf eines der Betten und kaute nachdenklich innen auf der Backe herum. Dann fielen ihr die Rollen mit Münzen ein, die unter das Bett gerollt waren, und sie bückte sich und versuchte, sie hervorzuholen, reichte aber nicht ganz hin. Mit der anderen Hand tastete sie auf dem Bett nach dem Suppenschöpfer, mit dem sie die beiden Rollen schließlich hervor bekam. Dann betrachtete sie die Utensilien, die auf dem Fußboden gelandet waren, und griff nach einem Schälmesser.
Sie richtete sich auf und holte Richard heraus. »Tut mir furchtbar leid... «
»Was? Was? Nicht mit dem Messer!«
»Es tut bestimmt nicht weh. Sei still.« Sie zog ihm die Kleider aus, drehte ihn um und trennte mit dem Messer behutsam die Stiche an der Rückennaht auf. Ach, wie er protestierte! Dann entfernte sie die Hälfte der Füllung und ersetzte sie durch die beiden Rollen mit Münzen. Weil sie nichts hatte, womit sie ihn wieder hätte zunähen können, band sie ihn mit dem Bindfaden fest zu. Dann überprüfte sie die Naht noch einmal und vergewisserte sich, dass der Bindfaden hielt. In die eine Manteltasche steckte sie seine Kleider, in die andere die Füllung. Dann nahm sie den Pfannenheber und den Suppenschöpfer und lief hurtig die Treppe hinauf.
Sparky nieste. Es war wie eine Explosion, sodass er sich gleich rücklings hinsetzen musste. Er nieste wieder und schüttelte den Kopf, als wollte er ihm dadurch das Niesen austreiben. Dann trottete er an die Stelle im Hof, wo im Frühling Tulpen wuchsen. Was auch immer dort gewesen war, war jetzt steinhart und eiskalt. Dann inspizierte er einen Pflanzkübel, der gewöhnlich mit Primeln gefüllt war. Jetzt allerdings nicht. Er schaute um sich, sah aber sonst nichts.
Sparky kam gern hierher, der Vorplatz gefiel ihm. Es war angenehm, dort herumzuschnüffeln. In der Ferne schlug Big Ben die Stunde. Bis vier konnte Sparky zählen. Wieso er das konnte, war ihm ein Rätsel, aber irgendwie hatte der Junge ihm diesen Trick einmal beigebracht; er hatte etwas mit der Straße zu tun und damit, dass einem der Hut mit Münzen gefüllt wurde. Man hätte meinen sollen, er könnte sich den Namen des Jungen merken, der ihn vor einem Leben zwischen Mülltonnen errettet hatte, aber welche Rolle spielten schon Namen ? Wenn man durch Blicke und Gesten begriff, dass man gerufen wurde, wozu war dann ein Name noch wichtig? Er war sich nicht einmal sicher, wie der Junge hieß. Big Benny. Das gefiel Sparky.
An die Frau konnte er sich gut erinnern, sogar an ihren Namen. Das war ungewöhnlich für ihn, aber sie war ja auch ungewöhnlich gewesen. Wo war sie jetzt eigentlich? Er ließ die Ohren hängen; der Gedanke machte ihn traurig.
Dann nieste er.
Das Tau hatte gehalten, Gemma saß im schwankenden Boot. Es erschien ihr weniger stabil als vorher, als sie es von oben betrachtet hatte. Sie klopfte auf ihren Mantel, um sich zu vergewissern, dass Richard noch da war, obwohl sie es an dem zusätzlichen Gewicht ja merkte. Vorsichtig drehte sich Gemma langsam im Boot um. Sie sah direkt auf die Stelle am Ufer, auf die sie zusteuern wollte, und senkte den Pfannenheber ins Wasser. Dann versuchte sie, den Suppenschöpfer hineinzulassen und merkte, dass beides nicht ging, weil ihre Arme nicht lang genug waren. Es hätte aber auch so nicht funktioniert, denn die Dinger waren zu klein und konnten nicht genug Wasser wegschieben, um das Boot in Bewegung zu setzen. »Ich bin vielleicht blöd!«, sagte sie laut.
»Ganz meiner Mei -«
»Sei still!«
Sie drehte das Ruder aus der
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