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Grimes, Martha - Inspektor Jury 17 - Die Trauer trägt Schwarz

Grimes, Martha - Inspektor Jury 17 - Die Trauer trägt Schwarz

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury 17 - Die Trauer trägt Schwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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das, was er in Erinnerung hatte, dann wollte er gar nichts davon wissen. Ganz einfach. Zu viele Jahre hatte er mit diesen Bildern vom Leben und Tod in der Fulham Road gelebt.
    »Sie trug Schwarz.«
    Sarah ging die Schnappschüsse durch, zog hier und dort einen heraus. Entweder hatte er es nicht laut gesagt oder sie hatte ihn nicht gehört: Sie trug Schwarz. Während sie die Fotos wie Karten beim Pokerspiel fächerförmig ausgebreitet hinlegte, deutete sie auf eines, eine schlecht ausgeleuchtete Momentaufnahme, vielleicht mit einer von diesen einfachen, kastenförmigen Brownie-Kameras aufgenommen.
    »Da sind wir alle drauf, außer deinem Dad. Der war in Deutschland.«
    Jury erblickte eine Gruppe von vier Erwachsenen, dazu ein Kleinkind und ein Mädchen von etwa sieben oder acht Jahren. »Das bist du, nicht? Bin ich auch drauf?«
    »Quatsch doch nicht, klar bist du drauf - du bist der Kleine. Hier ist dein Dad.« Sie reichte ihm eine Aufnahme von einem Mann in Fliegeruniform. »Weißt du, dass er in der Royal Air Force war?«
    »Ja, natürlich.« Er war sauer, weil sie mehr wusste als er. Wie war sie eigentlich mit der Zeit dazu gekommen, diese Erinnerungen zu verwahren?
    »Wurde sein Flugzeug - eine Spitfire - nicht abgeschossen?«
    »Na, wenigstens das hast du dir richtig gemerkt.«
    Als wäre er der Einzige mit einem fehlbaren Gedächtnis. »Ich weiß noch, dass ich evakuiert wurde. Ich erinnere mich, dass ich als Kind mit vielen anderen Kindern in Devon oder Dorset war.«
    »Aber doch nicht im Krieg. Du wurdest gar nicht evakuiert. Du warst mit ein paar anderen in Pflege.«
    Jury sah sie stirnrunzelnd an. »In Pflege?«
    »Erinnerst du dich nicht mehr an diese Frau, diese entsetzliche Mrs. Simkin? Die hieß doch so, oder? Mensch, die hat bestimmt für ein halbes Dutzend Geld von der Regierung eingestrichen. Zwei haben sie ihr dann weggenommen, und einer davon warst du.« Ihre Finger wühlten wieder im Schuhkarton herum. »Schau mal.« Sie zog noch einen Schnappschuss aus dem Karton und gab ihn Jury.
    Er betrachtete die merkwürdige Aufstellung der Kinder. Er war erleichtert, sie hier zu sehen, denn an sie erinnerte er sich, auch wenn er sich geirrt hatte, weshalb er bei ihnen gewesen war. Da stand er - neben dem größten Mädchen. Obwohl es ein Schwarzweißfoto war, wusste er noch, dass es das große Mädchen mit dem flammend roten Haar war. Es wirkte ungebärdig, als könnte nicht einmal die Bewegungslosigkeit eines Fotos es zum Stillstehen bringen. Jury lächelte sie an, die Marter seines Kinderlebens. Sie war gewissermaßen zum Fixpunkt geworden, dieses schreckliche Kind, das ihn ärgerte und foppte und immer noch Macht über ihn hatte. Das gefiel Jury irgendwie.
    »Also, das hier ist das beste. Das bist du und deine Mum.«
    Es war keine Momentaufnahme, sondern sah eher aus wie vom Fotografen. Außerdem war es größer. Sie hatte den Arm über die auf einer Seite leicht erhöhte Rückenlehne eines kleinen Sofas gelegt. Er war etwa drei oder vier und saß zu ihrer Linken, den linken Arm hatte sie um ihn geschlungen. Er lachte über beide Backen.
    Sarah redete immer noch, doch ihre Stimme schien von weit her zu kommen, wie ein Geräusch, das sich mühsam um ein Hindernis bewegt. Zu dem Foto sagte er nichts. Es war eigentlich sehr schön, fand er.
    »Kann ich das mit den Pflegekindern haben? Und das von Mum und mir?«
    Sie zuckte die Achseln und verfiel wieder in ihre gleichgültige Haltung.
    »Du kannst alle haben, wenn du willst.«
    Nachdem sie ihm eine komplett andere Version seiner Kindheit aufgetischt hatte, interessierten sie deren Beweisstücke nicht mehr.
    Jury war müde und wollte gehen. Was für eine Erleichterung, von hier wegzukommen. Er sagte, er müsse einen Zug erwischen.
    »Bleibst du denn nicht zum Abendbrot? Brendan müsste eigentlich bald -«
    Als könnte ihre Stimme Geister heraufbeschwören, ging in diesem Moment die Tür auf und Brendan trat ein.
    »Wenn man vom Teufel spricht«, sagte Sarah.
    Brendan bot den Anblick eines durch und durch jovialen, kreuzfidelen Typs. Als er Jury sah, strahlte er übers ganze Gesicht. »Richard! Wo zum Teufel kommst du denn her?« Er versetzte Jury einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter.
    »Den Scheck hast du bestimmt schon bei Noonan's auf den Kopf gehauen.«
    »Ach, Weib, halt die Klappe.« Brendan zog ein zusammengefaltetes, fleckiges Stückchen Papier aus der Brusttasche und überreichte es ihr. »Ist noch nicht mal eingelöst, Schätzchen.

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