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Grimes, Martha - Inspektor Jury 17 - Die Trauer trägt Schwarz

Grimes, Martha - Inspektor Jury 17 - Die Trauer trägt Schwarz

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury 17 - Die Trauer trägt Schwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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zurückkam, allein oder in Begleitung... Jury lächelte (na, von wegen), trank sein Pint aus und ging.
    Die Wohnung seiner Cousine befand sich in einem großen roten Backsteingebäude. Über dem Treppenabsatz draußen vor der Haustür waren sechs Briefkästen angebracht, einer für jede Wohnung. Im Zuge der Renovierung hatte man die ehemals großzügigen Innenräume in sechs Wohneinheiten unterteilt. Brendan und Sarah bewohnten eine der beiden Wohnungen im obersten Stockwerk, drei Treppen hoch. Einen Aufzug gab es nicht. Das Treppenhaus war finster bis auf den Treppenabsatz zwischen dem ersten und zweiten Geschoss. Jedes Mal, wenn Jury hier gewesen war, hatte er eine oder mehrere ausgebrannte Glühbirnen ausgetauscht, die eigentlich die Treppenabsätze beleuchten sollten. Es sei gefährlich, hatte er zu seiner Cousine gesagt, sie könnte doch leicht einen Fehltritt machen, stürzen und sich etwas brechen.
    »In meinem Leben gibt es nur Fehltritte«, hatte sie erwidert. Über den Ausdruck hatte Jury lächeln müssen.
    Er hatte gehofft, Brendan würde ihm aufmachen, doch der war unterwegs.
    »Der sucht wieder«, sagte Sarah. »Komm rein.«
    »Sei froh, dass er wenigstens sucht. Das tun die meisten nämlich nicht.« Jury zog seinen Mantel aus und ließ ihn auf einen Sessel mit dunkelgrünem Noppenpolster fallen.
    Sarah hatte ein blassblaues Kissen von einem blauen Lehnsessel genommen. Das Kissen war mit Schwertlilien bestickt, und sie hielt es sich so vor die Brust gepresst, als stünde ein unmittelbarer Angriff bevor. So benahm sie sich ihm gegenüber aber immer. Sarah hatte lauter solche defensiven Gesten. Die etwas verkrampfte Frau musste inzwischen Anfang sechzig sein, wirkte aber bei allem Druck und Stress, den das Leben ihr bereitet hatte, gar nicht so alt. Obwohl ihr die Zeit wie mit Säure tiefe Kerben um Nase und Mund geätzt hatte, war sie immer noch mit diesem unglaublich seidigen Haar gesegnet, das selbst ergrauend die weiche Farbe von herbstlichem Rauch hatte.
    »Willst du ein Bier?«
    Sie selbst hatte sich eins genommen, aber Jury hatte schon genug getrunken. Das saure Gefühl im Magen rührte wohl eher vom Stress als vom Bier her, doch er wollte trotzdem keines. »Ich hätte eigentlich gern einen Tee.«
    Beim Aufstehen meinte sie (in ihrem typischen Jammerton): »Oje, oje. Du schlägst ein Bier aus?« Als ob er ohne Alkohol nicht leben konnte. Dann wandte sie sich in Richtung Küche, in die er von seinem Platz aus einen verstohlenen Blick werfen konnte: die weiße Arbeitsfläche, der Aga-Kochherd - ihr ganzer Stolz.
    So fing es immer an, mit irgendeiner abfälligen Bemerkung, durch die sie ihn nervte. Er fragte sich allerdings, ob sie damit nicht in Wirklichkeit Brendan treffen wollte, dessen Trunksucht das eigentliche Problem war. Jury setzte sich in den einen von zwei blauen Sesseln, die alle beide ziemlich abgewetzt waren. Er hob das blaue Kissen auf, das sie hingepfeffert hatte, ließ den Daumen über die feine Stickerei gleiten und überlegte, ob es wohl eine Handarbeit von ihr war.
    Als er sich zurücklehnte, fühlte er sich plötzlich merkwürdig erschöpft und wusste, es lag daran, dass er hierhergekommen war. Aber nicht an Sarah selbst, nein, sondern an der Art, wie sie eine ganze Reihe von komplexen Emotionen über seine Vergangenheit in ihm aufwühlte. Angetrieben wurde sein Unbehagen von der Angst. Als sie Kinder gewesen waren, hatte Sarah die Oberhand gehabt - in jeder Hinsicht: Sie war älter, und sie wusste, wo sie hingehörte. Dass er Angst vor ihr hatte, kam ihm lächerlich vor: Er schämte sich dieses Gefühls. Doch die Angst war sehr alt, so alt wie die Kindheit.
    Er bekam eine Henkeltasse Tee in die Hand und setzte sich aufrecht hin (und kam sich ziemlich gebrechlich vor).
    »Danke.«
    Sie zuckte bloß lässig mit den Schultern, als wollte sie sagen, Na und? Würde ich für die Müllmänner auch tun. Dann setzte sie sich mit ihrer Flasche Adnams und einer Zigarette in den anderen blauen Sessel. Als Jury seine Schachtel nicht herausholte, bot sie ihm von ihren Silk Cut an. Als er den Kopf schüttelte, sagte sie: »Sag bloß, du hast aufgehört!«
    »Stimmt.«
    Den Kopf zurückwerfend, meinte sie: »Du lieber Gott, auch das noch. Hoffentlich tust du jetzt nicht auch noch selbstgerecht und hältst mir eine Gardinenpredigt.«
    Jury deutete ein Lächeln an. »Wohl kaum. Dazu bin ich in einer viel zu schwachen Position. Ich wäre jederzeit imstande wieder anzufangen.«
    Einen Moment war

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