Grimes, Martha - Inspektor Jury 17 - Die Trauer trägt Schwarz
Hieroglyphen an einer Höhlenwand. Wahrscheinlich hatte sie bereits vor Mickey gewusst, dass etwas nicht stimmte. Aber in Bezug auf ihre Männer verfügen wohl die meisten Frauen über so einen Instinkt. Um das zu wissen, brauchte man kein Tatortspezialist zu sein.
Er sollte sie wirklich einmal anrufen, sie zum Essen ausführen oder auf einen Drink einladen. Vielleicht wäre es eine Erleichterung für sie, sich mit jemandem von der Polizei auszutauschen. Sie war so wunderbar tapfer, doch was musste es sie kosten, der Tatsache ins Auge zu sehen, dass sie mit vier Kindern allein dastehen würde?
Er nahm es sich vor.
30
Mickey Haggerty lehnte an dem von Ordnern und Dokumenten überquellenden Aktenschrank. Es war am nächsten Morgen, und sie waren gerade dabei, ihre im Liberty Bounds begonnene Diskussion über Kitty Riordin fortzusetzen.
»Ich konnte bei ihr überhaupt keine Loyalität gegenüber den Tynedales erkennen; dabei hätte ich das eigentlich schon erwartet«, sagte Jury.
»Sie ist wie besessen. Sie interessiert sich nur für ein einziges Thema, und das ist Erin Riordin alias Maisie Tynedale.« Mickey knallte die Schublade zu, in der er herum gesucht hatte, ging zurück zu seinem Stuhl und ließ sich schwer darauf plumpsen.
»Wie lange kannte Ihr Vater Francis Croft eigentlich?«, wollte Jury wissen.
Mickey kippte in seinem Schreibtischstuhl zurück und fuhr sich mit den Händen durchs Haar.
»Lange, seit ich mich erinnern kann.« Sein Blick ging ins Leere. »Croft war wirklich ein guter Mensch. So wie Oliver Tynedale einer ist. Für einen Freund hätten die beiden alles getan, egal wie schwierig es wäre. Als ich klein war, fuhr meine Mutter mal in Schottland mit dem Auto von Ballantrae nach Stranraer und wollte die Fähre hinüber nach Belfast erwischen. Gerade als sie den Wagen auf die Fähre gefahren hatte, verlor sie das Bewusstsein. Man brachte sie sofort ins Krankenhaus, auf die Intensivstation. Dad war nicht zu erreichen, irgendwie war er in einem Fall unterwegs. Weil Oliver Tynedales Name in ihrem Adressbuch stand, hat die Polizei ihn verständigt. Er schickte mir sofort einen Wagen, der mich zum Betriebsflugplatz der Tynedale-Brauerei brachte, riss seinen Piloten aus dem Schlaf und flog mit mir nach Stranraer. Hätte er's nicht getan, ich hätte meine Mutter nicht mehr lebend gesehen. Er ging dann auch nicht weg, sondern blieb bei mir. Oliver konnte gut mit Kindern umgehen. Ich fand schon immer, er hätte Lehrer oder so etwas Ähnliches werden sollen. Er hat so eine Art - eine Umgangsweise, einen Ton in der Stimme -, die sofort beruhigend auf einen wirkt. Es ist eine Eigenschaft, die sich nicht sehr oft findet. Nachdem sie gestorben war -«
Mickey senkte den Blick und strich über seinen Schlips, um nicht zu Jury hinübersehen zu müssen. Als er es schließlich tat, standen ihm Tränen in den Augen.
»Wenn Tynedale so ein Mensch ist, kann ich gut verstehen, dass Sie Kitty Riordin nicht ungestraft davonkommen lassen wollen«, sagte Jury. »Was haben Sie sonst noch über sie herausgefunden?«
Mickey nahm den obersten Ordner vom Stapel auf seinem Schreibtisch und klappte das Deckblatt zurück.
»Nicht viel, und es war auch nicht einfach. Nach fünfzig Jahren ist das wohl so.« Er brachte ein Lächeln zustande. »Katherine - bekannt unter dem Namen Kitty - Shea. Als sie achtzehn war, heiratete sie Aiden Riordin. Er konnte in Irland keine Arbeit finden - dort war es noch schlimmer als hier im Norden - und kam hierher. Ich hatte den Eindruck, er wollte sie später nachkommen lassen, aber dann brach der Krieg aus. Aiden Riordin - das ist jetzt interessant -schloss sich der Union der Britischen Faschisten an.«
»Den Schwarzhemden.«
»Genau. Die Typen kann man wohl kaum ernst nehmen.«
»Hmm. Ich würde da nicht so überstürzt urteilen. In East London war ziemlich was los, als Mosley freigelassen wurde.
Aber erzählen Sie weiter.«
»Über Kitty Riordin gibt's nicht viel zu erzählen. Sie verließ Irland und kam hierher, aber nicht um ihren Mann zu finden, glaube ich. Sie hoffte wohl, dass sie sich hier besser durchschlagen könnte als in Killarney. Und so war es auch.«
»So war es in der Tat«, sagte Jury nur.
Mickey erhob sich etwas irritiert und warf den Bleistift hin, mit dem er die ganze Zeit herumgespielt hatte. »Der Mord an Croft geht auf das Konto eines >Insiders<. Es sollte nur so aussehen, als hätte ihn irgendein Eindringling begangen. Mit >Insider< meine ich entweder ein
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