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Grimes, Martha - Inspektor Jury 17 - Die Trauer trägt Schwarz

Grimes, Martha - Inspektor Jury 17 - Die Trauer trägt Schwarz

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury 17 - Die Trauer trägt Schwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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ganzen Expertenbefragungen herausgekommen? Konnten die sich einigen, dass es sich bei dem Gemälde um einen echten - wie hieß er gleich noch?«
    »Masaccio. Nein, konnten sie nicht. Das ist bloß ein Haufen schwankelmütiger Gesellen, alle miteinander.«
    Sie saßen an Melrose' Lieblingstisch, einem etwas kleineren in der Mitte des Raumes, neben einer der eichengetäfelten Säulen. Nachdem sie ihre Artischocken mit Zitrone verdrückt hatten, fragte Jury: »Sie sagten, Sie seien Experte. Wofür denn?« »Haben Sie nicht aufgepasst? Für Masaccio und die Kunst der Renaissance. Ich will noch einen Drink - ach, ich werde einfach eine Flasche Wein bestellen.« Er machte dem Weinkellner ein Zeichen, der herüberkam, um Melrose' Bestellung entgegenzunehmen.
    »Also, weiter.« Voll trauriger Sehnsucht sah Jury zu, wie sich zwei wunderliche alte Käuze ihre Zigarren ansteckten. Er hatte zwar nie Zigarre geraucht, aber das machte keinen Unterschied.
    Nach der ganzen rauchfreien Zeit hätte er sich sogar ein Katzenvieh angesteckt. Ein Streichholz hätte er gern fallen lassen wollen auf den jungen Higgins, der sich mit ihrem Rinds- und Nierenauflauf auf sie zu bewegte, scheinbar losgelöst von Raum und Zeit, doch mit einer Bestimmtheit, als wolle er mit verbundenen Augen die Kreuzung am Piccadilly Circus überqueren. Melrose redete weiter über Masaccio: »Ich habe still und leise mein Wissen über die zwanziger Jahre erweitert... «
    Der Weinkellner brachte den Wein zur Begutachtung, entkorkte ihn und schenkte ein.
    Vom Duft des Rinds- und Nierenauflaufs umwabert, meinte Jury: »Die Zeit der Prohibition in den Vereinigten Staaten, wie ich mich zu erinnern glaube. Ah, danke«, fügte er an Higgins gewandt hinzu.
    »Doch nicht die 1920er in New York, ich meine die 1420er in Florenz.« Zum jungen Higgins sagte er: »Sieht fabelhaft aus.«
    Dann sprach er weiter: »Ich weiß auch was über Masolino, Donatello und Brunelleschi. Und über perspektivische Täuschung.«
    »Klingt wie ein Zaubertrick.« Jury schnitt sich ein großes Stück vom Rinds- und Nierenauflauf ab. »Eine Erfindung von Giotto, oder zumindest hat er sie entdeckt. Perspektive kann man ja schließlich nicht erfinden, oder? Brunelleschi und Donatello weiteten den Begriff dann auf die Architektur aus. Die Perspektive in einem Gemälde. Das sagt Ihnen natürlich was. Die Kunst, einen Gegenstand dreidimensional erscheinen zu lassen. Gar kein einfaches Unterfangen, eigentlich geht es darum, die Mathematik auf den Raum anzuwenden. Wie das Tonnengewölbe bei der Heiligen Trinität. Die Rippen verjüngen sich in mathematischer Verkürzung.«
    Melrose streckte die Arme aus und führte die Fingerspitzen aneinander, wusch, wusch. »Die Kunst des Fluchtpunkts. Der Mittelpunkt, der Fluchtpunkt, das ist der Punkt, an dem sich in der Entfernung alle Linien treffen. Wo alles zusammenkommt, wo das Muster sich offenbart.«
    »Klingt wie die Lösung zu einem meiner Fälle. Nur - bis man endlich dorthin kommt, zum Fluchtpunkt, ist er verschwunden.«
    »Ja, so ist das wohl.«
    »Das ist ja das Paradoxe dran.«
    Melrose nickte. »Na, jedenfalls hörte Trueblood einfach nicht mehr zu, wenn das Thema von Masaccio und seinem Gemälde abschweifte. Ich konnte es sehen, er bekam dann einen ganz verschleierten Blick. So wie Sie jetzt gerade.«
    »Stimmt gar nicht. Ich bin äußerst interessiert.«
    »Machen Sie sich nicht lächerlich. Wer außer einem Bekloppten würde sich schon für italienische Kunst interessieren?«
    Jury lächelte. »Oh, so einen Bekloppten kenne ich.«
    Melrose hörte auf zu essen, sah Jury lange nachdenklich an und aß weiter. Nachdem er sich ausgiebig seinem Glas Wein gewidmet hatte, sagte er: »Sie wollen mich wieder in so eine Rolle stecken.«
    »Ich weiß überhaupt nicht, wovon Sie reden.«
    »Na, na, na. Erst das Gärtnern, und jetzt lassen Sie mich über die Florentiner Kunst des fünfzehnten Jahrhunderts schwadronieren -«
    »Wie zum Teufel käme ich dazu? Ich wusste ja nicht mal, dass es Florentiner Kunst im fünfzehnten Jahrhundert gab. Nebenbei bemerkt, wusste ich nicht mal, dass man Florentiner sagt.«
    »Sehr witzig.« Mit einem Seufzer legte Melrose seine Gabel hin. »Jetzt will ich Ihnen mal was sagen -« Er beugte sich zu Jury hinüber, als wollte er ihn am Schlips packen. »Wenn Sie sich einbilden, ich könnte einen führenden Experten auf dem Gebiet der italienischen Renaissancekunst mimen, dann vergessen Sie's. Ich weiß so gut wie nichts

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