Grimes, Martha - Inspektor Jury 20 - Inspektor Jury kommt auf den Hund NEU
sich zahlreiche Frauen versammelt hatten, vermutlich die Mütter. Andere entstiegen gerade ihren BMWs, Mercedes und schicken Kleinwagen. Er fragile sich, ob wohl Rosies Pflegemutter unter ihnen war. Die Frauen sahen alle gepflegt und elegant aus, ob sie nun duftige Leinenkleider oder alte Jeans trugen.
Er spähte durch den Zaun auf den kleinen Spielplatz, wo sich die Kinder nun in Zweierreihen aufgestellt hatten, bereit für den Abmarsch ins Schulgebäude und von dort hinaus zu ihren Müttern. Er versuchte, Rosie unter ihnen auszumachen, konnte sie aber nicht finden. Mit ihren blaugrauen Schuluniformen sahen sich die Kinder alle merkwürdig ähnlich. Ein paar hatten Äpfel dabei, und ein ganz kleines Mädchen hatte eine Birne, die es sich beim Versuch, sie zu essen, übers ganze Gesicht verschmierte. »Sind Sie einer von den Vätern, Sir?«
Die junge Frau war unvermittelt auf der anderen Zaunseite vor ihm aufgetaucht. Eine Lehrerin. Sie musterte ihn skeptisch, wollte ihm jedoch nicht zu nahe treten, falls er tatsächlich einer war.
»Ich? Nein, bin ich nicht. Ich suche nur gerade -« Doch dann fiel ihm Johnnys Warnung ein, und er sagte nichts mehr.
Sie runzelte zwar die Stirn, lächelte aber immer noch, als hätte er etwas an sich, das sie davon abhielt, das Schlimmste anzunehmen.
Wofür er ihr dankbar war. Er schob die Bücher unterm Arm zurecht und dachte wieder daran, dass er nichts unternehmen durfte, wodurch die Pflegeeltern erführen, dass jemand Auskunft über sie erteilt hatte. Er sah, wie ihr Blick auf Als Papa fort war fiel, und hatte das Gefühl, dass das Buch ihn harmlos erscheinen ließ. Doch dann hörte er im Innenohr ein Knacken oder Splittern, und ihm fiel (eigentlich seltsam) der Abend ein, als Phyllis von ihrer Dessertglasur abgebissen hatte. Als würde das Eisbaby auseinander brechen.
»Vielleicht ist es die falsche Schule. Ja, bestimmt. Verzeihung.«
Er spürte ihren Blick auf sich ruhen, während er sich durch die versammelte Elternschar hindurchbewegte und die Glocke das Ende des Schultages verkündete.
53
Für Chief Superintendent Racer war es ein Geschenk des Himmels, die goldene Gelegenheit, seine Reaktion auf die Art von Frage vorführen zu können (in diesem Fall vorgetragen von Jury), die einem einmal im Leben begegnete, und wenn man da keinen Volltreffer landete, nun, dann war's das, Kumpel. Dann bot so eine Chance sich nie wieder.
Da Racer nun aber keinen Volltreffer landen konnte, blieb ihm nur eins, nämlich seine Antwort auf Jurys Bitte um einen Durchsuchungsbefehl mit möglichst viel Sarkasmus zu spicken. »Einen Durchsuchungsbefehl. Ah ja, einen Durchsuchungsbefehl.« Unter gekünsteltem Gelächter erhob Racer sich und schlenderte um seinen Schreibtisch herum, um sich mit verschränkten Armen davor zu postieren. Er sagte es noch einmal: »Einen Durchsuchungsbefehl, einen Durchsuchungsbefehl.«
Jury musste an den Abzählreim denken: »Eene, meene, Miene, Mehl.« Die nächste Zeile rutschte ihm unwillkürlich heraus, halblaut, aber doch deutlich vernehmlich: »Wenn ich meine Erbsen zähl'.«
Racer starrte ihn wütend an. »Sie nehmen diese ganze Sache ja recht locker, was, Jury? Wenn man bedenkt, dass es dabei um drei Kinder geht.«
»Zwei.« Jury konnte der Versuchung nicht widerstehen, zwei Finger in die Höhe zu halten.
»Sie sagten, drei.«
»Nein. Das dritte ist ein Hund.«
»Ach, verstehe! Sie müssen einen Hund retten! Na, das ist ja was anderes, Jury! Wieso sagen Sie das denn nicht gleich?« Racer setzte ein säuerliches Lächeln auf, als könnte er allein durch die Bezeichnung einen Blumentopf im Ironiewettbewerb gewinnen. »Aber seit wann brauchen Sie denn einen Durchsuchungsbefehl, Jury? Seit wann scheren Sie sich denn um einen Durchsuchungsbefehl? Soweit ich mich erinnere, haben Sie es doch geschafft, einfach so in das Haus in der Hester Street reinzutrampeln, zusammen mit diesem Cowboy von einem Polizisten aus Devon. Und zwar ganz ohne die Segnungen eines Durchsuchungsbefehls. Na, und da werden Sie sich zu diesem Haus in Belgravia doch ebenfalls Zutritt verschaffen können, ohne einen Durchsuchungsbefehl.«
Racer konnte das Wort gar nicht oft genug genüsslich wiederholen, als wäre es wesentlich verantwortlich für Jurys Ärger in letzter Zeit und für die Umstände, die beinahe zu seinem Hinausschmiss geführt hätten (um es einmal so krass auszudrücken).
Racer würde nicht lockerlassen, das war Jury klar. »Das Leben dieser beiden Kinder steht auf dem
Weitere Kostenlose Bücher