Grimes, Martha - Inspektor Jury 20 - Inspektor Jury kommt auf den Hund NEU
fragte sich, wie viele Fragen Wiggins noch stellen würde, um der Sache auf die Spur zu kommen.
»In London?«
»Was?«
»Nichts. Bis später.«
Dr. Phyllis Nancy sah in dem grünen Labormantel und der blassgrünen Plastikhaube aus wie frisch aus dem Schönheitssalon. Sie blickte vom Leichnam auf dem Edelstahltisch hoch und lächelte. »Phyllis.« Jury erwiderte ihr Lächeln.
»Ein dumpfer Schlag war es.« Sie sprach von dem Mann, der vor Danny Wus Restaurant durch einen Schuss zu Boden gegangen war. Denjenigen, von dem Racer behauptete, er sei von Danny ermordet worden. »Damit meine ich den Schlag, der ihn umbrachte, nicht die Kugel, merkwürdigerweise. Wir haben eine Herzprellung, das ist wie ein Herzinfarkt. Die Kugel ging direkt durch, traf ein paar Organe -Luftröhre, Speiseröhre - und trat im Rücken wieder aus. Glauben Sie« - sie zog den Kittel über den Kopf und streifte die Haube ab - »ich könnte mir den Tatort noch mal genauer ansehen?«
»Aber selbstverständlich. Das Restaurant macht gerade zum Mittagessen auf. Oder haben Sie Ihre Betty-Boop-Lunchbox mitgebracht?«
»Nicht Betty Boop, es sind Dinosaurier drauf. Moment, ich bin gleich wieder da.«
Und so war es. Phyllis war superpünktlich, ob es nun um eine Autopsie ging oder ums Mittagessen. Sie war berühmt für ihre Pünktlichkeit.
Wie gewöhnlich war Soho rappelvoll, und es gab kein Durchkommen. Mit ihrem rötlich braunen Haar, strahlenden Lächeln und ihrem Dienstausweis schaffte es Phyllis jedoch, dass sich die Schlange stehende Menge vor dem Ruiyi teilte wie das Rote Meer. Nachdem sie sich solchermaßen Platz verschafft hatte, holte sie ein strapazierfähiges Maßband hervor, um den Abstand vom Randstein bis zur Tür zu messen, wo die Warteschlange anfing. Die Abmessung notierte sie sich, steckte Stift, Notizbuch und Maßband weg, warf ein Lächeln in die Runde und sagte: »Danke.«
Jury fragte: »Phyllis, was war denn das jetzt?«
»Nichts«, murmelte sie, »dafür sind wir jetzt vorn in der Schlange.«
Nachdem sie wenig später an einem Tisch Platz genommen hatten, kam Danny Wu, der Besitzer, auch schon zu ihnen herüber. »Ich weiß gar nicht, wie die Leute darauf kommen, eine Schießerei sei schlecht fürs Geschäft. Die Warteschlangen sind sogar noch länger als sonst, und dass auch die Metropolitan Police hier speist, also, das ist fast so toll wie Bruce Springsteen. Fast.«
»Danke.«
Danny Wu war wie immer tadellos in Hugo Boss oder Armani gewandet. Das Restaurant brummte im Obergeschoss wie auch hier unten. Kleine Schälchen mit Speisen tauchten plötzlich wie aus dem Nichts auf. Hinter Dannys Rücken hervor - zumindest sah es so aus -wurde schwungvoll eine tönerne Teekanne vor ihnen platziert, und als Danny beiseite trat, bekamen sie aus Händen, die einer der zahlreichen Cousinen des Besitzers gehörten, kleine Teeschalen hingestellt. Sie bestellten Shrimps süßsauer und Fisch, dazu mehrere Beilagen, inklusive Reis.
»Geht es Sergeant Wiggins auch gut?«, fragte Danny.
»Prächtig. Verraten Sie ihm bloß nicht, dass wir ohne ihn hier waren.«
Wiggins liebte dieses Lokal abgöttisch. Hier machte er immer Bekanntschaft mit unzähligen gesundheitsfördernden Würzelchen und Sprossen.
»Sehr adrett«, bemerkte Phyllis, als Danny weitergegangen war. »Er ist wirklich ein gutaussehender Mann, finden Sie nicht?« »Ist er. Und außerdem sehr verdächtig.«
Phyllis schenkte Tee ein. »Was wollen Sie damit sagen?«
»Danny hat seine Finger in vielen Töpfen.«
»Sie glauben doch nicht etwa, er war der Schütze?«
»Nein, natürlich nicht. Sonst hätte der Erschossene wohl kaum bei ihm auf der Schwelle gelegen. Drecksarbeit kann Danny nicht ausstehen. Nein, bei dem Opfer handelt es sich vermutlich um ein Mitglied einer dieser weiß Gott wie vielen asiatischen Banden, die hier zugange sind.«
Phyllis seufzte. »Sehen Sie, jetzt reden Sie schon wieder von der Arbeit.«
Die kleine schwarzhaarige Bedienung stellte ihnen die verschiedenen Gerichte hin, Shrimps und Duftreis.
»Es ist ja momentan gar nicht meine Arbeit.«
»Ach Gott. Machen die Ihnen damit etwa immer noch die Hölle heiß? Wenn das nächste Mal ein fünfjähriges Kind von hinten erschossen wird, sollten wir vielleicht den Polizeichef mitschleppen. Um ihm eine Kostprobe zu verpassen.« Nachdrücklich spießte sie ein Stückchen süßsauren Shrimp auf. »Hier wurde das Opfer allerdings nicht draußen erschossen. Ich vermute, er war in diesem Raum, wankte
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