Grimes, Martha - Inspektor Jury 20 - Inspektor Jury kommt auf den Hund NEU
nach draußen und fiel auf dem Gehweg um.«
Jury sah sie fragend an.
»Beim Abmessen habe ich nämlich etwas herausgefunden.«
Er tat bekümmert und meinte untröstlich: »Dann geht es also gar nicht um mich. Sie haben sich also nicht einfach eine Ausrede ausgedacht, damit Sie mit mir mittagessen gehen können.«
»Seien Sie doch nicht so kindisch.« Eingehend begutachtete sie die komplizierte Grätenstruktur ihres unfiletierten Fischs. »Wie gehe ich das jetzt bloß an?«
»Meine Güte! Und Sie sind unsere Chefpathologin und Obduktionistin! Und...«
» Obduktionistin ?«
»... und können nicht mal die Mittelgräte von diesem Fisch da zerlegen?«
Sie entfernte die Gräten so säuberlich, als zöge sie einen Reißverschluss auf.
Danny Wu glitt als wohlgeschneiderte Erscheinung geisterhaft im Raum umher. Er verfügte über jene besondere Fähigkeit, urplötzlich unbemerkt neben einem aufzutauchen.
Jury erzählte Phyllis von Dannys Mutter, die eine wahrhaft wagemutige Frau gewesen sein musste. Sie hatte des Öfteren ihr Leben riskiert, um ihn aus Peking herauszuschleusen. Später hatte Danny sein eigenes Leben aufs Spiel gesetzt, um aus Shenzen herauszukommen. Vielleicht nahm man, wenn man sich unter Zuhilfenahme seines Verstandes - oder seiner Überzeugungskraft -aus einer misslichen Lage befreien musste, so manche schlechte Gewohnheit an. Beispielsweise Leute umzubringen.
»Oder schlechten Umgang zu pflegen.« Jury nickte.
»War er denn schon mal angeklagt?«
»Nein, ein Vorstrafenregister hat er nicht. Für meinesgleichen ist der viel zu clever und geschickt.« »Das bezweifle ich doch sehr.«
Da fiel ihm Harry Johnson ein. »Ich will Ihnen eine Geschichte erzählen.«
15
Die überdauerte den kross gebratenen Fisch und das glasierte Bananendessert, dem Phyllis attestierte, es sei ein Wunderwerk an Geschmack und Konsistenz. Inzwischen delektierte sie sich bereits an ihrer zweiten Portion und bestellte die dritte Kanne Tee. Eine lange Schlange von Ruiyi-Fans beäugte sehnsüchtig ihren Tisch, auf dass Jury und Phyllis endlich das Feld räumten. Jury scherte sich nicht darum.
Während Jury die Geschichte der Gaults erzählte, sah ihn Phyllis die ganze Zeit unverwandt an.
Ein paar Mal hatte sie den Kopf geschüttelt, konnte es offensichtlich kaum glauben.
»Und morgen Abend gibt es wieder eine, vielleicht die letzte, Folge. Was halten Sie davon?«
»Ich weiß nicht, was ich davon halten soll«, erwiderte Phyllis. »Ist dieser Harry Johnson denn glaubwürdig?«
»Scheint so. Am Anfang hielt ich es natürlich bloß für einen Riesenwitz, eine von diesen Kommt-ein-Mann-in-ein-Pub-Geschichten. Also wirklich! >Der Hund kam zurück.<«
Sie lächelte. »Der ist ziemlich gut.«
»Harry? Oder Mungo?«
»Harry. Von Mungo haben Sie ja noch nichts gehört. Klingt so, als würde der das Ganze bloß beobachten.«
Jury lachte. »Ich muss sagen, nach drei Abenden im Old Wine Shades und dann beim Abendessen glaube ich schon, dass er die Wahrheit sagt, die Wahrheit, so wie sie sich ihm darstellt natürlich.«
»Was ist mit Hugh, dem Ehemann? Könnten Sie mit dem nicht mal sprechen?«
»Der ist in einer gewissen Stoddard-Klinik.« »Die kenne ich. Hat einen ausgezeichneten Ruf. Sehr guter Stab von Mitarbeitern. Hat dieser Hugh Gault eine Psychose? Oder ist er eher wegen mentaler Erschöpfung dort?«
»Letzteres, glaube ich. Harry sagte, er sei aus freien Stücken dort.«
»Sie könnten ihn zumindest mal besuchen. Ich meine, nur um zu sehen -«
»Ob er existiert?« Sie nickte.
Jury betrachtete seine leere Teetasse. »Könnte ich wohl. Aber irgendwie -«
»Sie würden die Geschichte lieber für sich betrachten. Oder vielleicht wollen Sie es gar nicht wissen.« Sie lächelte. »Jedenfalls ist es eine ziemlich gelungene Geschichte.«
»Sie meinen, ich sollte sie besser nicht verderben?«
Sie nickte. »Vielleicht.«
Jury fiel wieder der Junge im Zug aus Newcastle ein. »Ich hatte mit ihm gewettet, dass es der Zug nach Swansea war. Er behauptete, es sei der nach London. Es war natürlich der Londoner Zug. Das Merkwürdige war, dass er andere Leute hätte fragen können, die ihm bestätigt hätten, dass er Recht hatte. Doch er tat nichts dergleichen. Er wich ihnen allen aus: dem Mann mit dem Teewägelchen, seiner eigenen Mutter, auch dem Schaffner, der durchkam und die Haltebahnhöfe ankündigte. Er wandte sich absichtlich ab von ihnen.«
»Haben Sie je die Geschichte von Hawthorne gelesen, >Mein Oheim, Major
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