Grimes, Martha - Inspektor Jury 20 - Inspektor Jury kommt auf den Hund NEU
schützt Wahnsinn vor, um von der Spur abzulenken.« Hier nickte er Joanna zu, die sein Nicken erwiderte.
»Zweitens: eine Parallelwelt, in die sie verschwunden sind. Die Stringtheorie.« »Superstring«, korrigierte ihn Trueblood. Er besaß den schärfsten Verstand von allen und konnte Details in Windeseile aufnehmen.
»Drittens: Hugh ist tatsächlich geisteskrank, und die Geschichte ist ein Fantasiegebilde. Korrekt, Theo?« Theo nickte.
»Viertens: Mit all dem rächt sich Hugh an Harry für dessen Affäre mit Hughs Frau.«
Diane blies einen Rauchstrahl aus und nickte zustimmend.
»Ich würde gern erfahren, was es mit dem Aufruhr im anderen Empfangszimmer auf sich hatte«, sagte Joanna.
Rauchkringel blasend, ließ sich Trueblood vernehmen:»Ein Ablenkungsmanöver.« Er blies einen kleinen Rauchkringel durch einen großen hindurch.
Alles starrte ihn entgeistert an. »Wovon zum Teufel reden Sie eigentlich?«, fragte Melrose. »Was für ein Ablenkungsmanöver?«
»Um die Aufmerksamkeit von den Leuten im vorderen Empfangszimmer abzulenken. Wo Superintendent Jury und Hugh Gault und Harry Wie-heißt-er-noch sich unterhielten.«
Melrose wedelte mit der Hand vor Truebloods Gesicht auf und ab wie ein Hypnotiseur, der sich versichern wollte, dass sein Patient auch tief genug in Trance war.
Unbeirrt blies Trueblood weiter seine Rauchkringel.
Diane steckte wieder eine Zigarette in ihrem schlanken schwarzen Halter fest. Sie wartete ab, bis Melrose über den Tisch reichte und ihr Feuer gab. Dann wandte sie sich zu Trueblood hinüber, der höchst zufrieden dasaß. »Was wir hier die ganze Zeit bereden, ist... keine... Geschichte.« Sie zog die drei Wörter in die Länge für den Fall, dass seine Geistesgegenwart oder sein Hörgerät (er trug überhaupt keines) nur auf Sparflamme funktionierten.
Er sagte: »Selbstverständlich ist es das.«
»Nein. Es ist passiert«, schaltete sich Joanna ein. »Es ist tatsächlich passiert!«
»Dann«, meinte Trueblood, »spielte sich das Ablenkungsmanöver tatsächlich ab.«
»Herrgott«, sagte Melrose, »das ist ja hier schlimmer als die Theorie mit dem Theaterstück im Theaterstück. Die Leute sind in einer Geschichte aufgetreten, die gar niemand geschrieben hatte.«
»Nein«, sagte Vivian. »Es ist noch schlimmer: Beim Theaterstück im Theaterstück sind die Personen im ursprünglichen Stück ja immer noch Schauspieler. Sie sind fiktiv. In diesem Fall gibt es keine Fiktion.«
»Wir sind in dieser Geschichte nicht drin«, sagte Trueblood und zupfte ein Fusselchen vom Ärmel seines seidenen Armani-Anzugs. »Es ist Fiktion.«
Melrose schnappte nach Luft. »Aber die Tatsache, dass wir nicht da drin sind, bedeutet doch nicht, dass niemand drin ist. Diese Geschichte handelt über sie. Über sie leibhaftig*.«
Trueblood hob seine makellosen Augenbrauen. »Genau das sage ich ja die ganze Zeit.«
Melrose zuckte gequält zusammen und ließ die Faust auf den Tisch niedergehen. »Die Leute im anderen Empfangszimmer sind schlicht und einfach die Leute im anderen Empfangszimmer.«
Knappes Schulterzucken seitens von Trueblood. »Natürlich. Das ist die Sache mit dem Ablenkungsmanöver. Schauen Sie, wir sollen sie verdächtigen, wo es eigentlich gar nichts zu verdächtigen gibt. Richard Jury, Hugh Gault und Harry Johnson. Sehen Sie mal.« Er nahm seinen goldenen Schreibstift aus der Jackentasche und bat Joanna um ein Blatt aus ihrem Notizbuch.
»Sie können das ganze Ding haben. Da steht mein neuester Roman drin, der wohl sowieso am besten als Schmierpapier dient, fürchte ich.«
Ach, wenn Polly Praed doch die gleiche Einstellung hätte!, dachte Melrose.
»Danke.« Trueblood begann zu kritzeln. »Das Stück im Stück.« Er zeichnete zwei Quadrate, ein größeres und in dieses hinein ein viel kleineres. »Also, wenn die Wandertruppe, also die Schauspieler, aus ihren Rollen im inneren Stück - nennen wir es mal Stück Zwei -heraustreten und ins ursprüngliche Stück - Stück Eins -eintreten, dann sind sie wieder Schauspieler. Während Stück Zwei werden die Schauspieler zu Gertrude, Claudius und wer eben sonst noch bei Stück Zwei vorkommt. Genauso wie Richard Jury zu Richard Jury Superintendent bei der Polizei, wird.«
»Moment, Moment, Moment, Moment, Moment«, sagte Melrose, atemlos protestierend. »Es ist nicht Jurys Geschichte!«
»Doch, er ist inzwischen Teil davon. Er ist Superintendent bei der Polizei geworden, der den Superintendenten bei der Polizei gibt und folglich das
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