Grimes, Martha - Inspektor Jury 20 - Inspektor Jury kommt auf den Hund NEU
kreischte Mrs. Withersby Scroggs Putzfrau, und schmiss eine Zehnpencemünze auf den Tisch, als wäre es ein Pokereinsatz. Keiner beachtete sie.
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»Wieso sollte es kein Wettbewerb sein?«, erkundigte sich Theo Wrenn Browne, der Besitzer des Buchladens gegenüber, der sich erst dann an den gemeinsamen Tisch setzen durfte, wenn er eine Runde spendiert hatte. (Er behauptete, er habe ebenfalls kein Geld dabei, was gelogen war - er wollte bloß nicht auf der Zeche sitzen bleiben.)
Melrose konnte ihn nicht ausstehen. Keiner konnte ihn ausstehen. Theo hatte seinerzeit Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um die Schließung der Bibliothek zu betreiben, damit er mit seiner Bücherausleihe mehr verdienen konnte. Und in der Nachttopfaffäre hatte er sich weiland auf die Seite der Beklagten, nämlich Melroses Tante, geschlagen. Kleinen Kindern bescherte er regelmäßig unendlichen Kummer, wenn sie ihre ausgeliehenen Leihbücher auch nur mit dem geringsten Daumenabdruck zurückbrachten. Nein, er gehörte nicht zu ihrer Clique, war nicht mit im Team. Er war der Auswechselspieler auf der Ersatzbank, den der Trainer bloß dann hereinschickte, wenn die anderen Spieler fix und fertig waren. Sein scheußliches Cordjackett mit den Lederflicken auf den Ellbogen sei von Hugo Boss, behauptete er. Angetan mit diesem tabakbraunen Jackett hätte er sich niemals neben Marshall Trueblood setzen dürfen, der immer aussah, als sei er der Hugo Boss oder Armani persönlich.
Joanna Lewes, Autorin von zwei Dutzend einschlägigen Romanen im Genre Krimi, Liebesroman, Horror oder jeder beliebigen Mischform derselben, sagte: »Wissen Sie, Leo -«
»Theo!«
Sie lächelte. »Sagte ich doch. Wer gewinnt, erfahren wir, wenn die Polizei den Fall gelöst hat.«
»Nicht unbedingt. Die Polizei hat sich auch schon geirrt. Sogar Superintendent Jury.« Dies sagte Theo so voller Genugtuung, dass man einfach nachhaken musste.
»Wann?«, wollte Trueblood wissen. »Wann hat er sich geirrt?«
Theo lief rot an. »Nun, ich kann nicht -«
»Genau. Sie können nicht.« Und Trueblood machte sich wieder daran, den ausgefransten Rand eines Fingernagels mit seinem kleinen goldenen Scherchen zu glätten.
Melrose sagte: »Es ist genau genommen gar keine polizeiliche Untersuchung. Jury befasst sich damit ganz unabhängig, pro bono sozusagen, weil ihn die Sache fasziniert.«
»Wir brauchen unbedingt Regeln!« Affektiert knallte Theo Wrenn Browne seine Faust auf den Tisch.
Diane ließ den Martini auf dem Weg zu ihrem Mund verharren (ein seltener Anblick). »Ach, halten Sie doch die Klappe, Theo.«
»Dürfen wir also einfach laut denken?«, fragte Vivian Riving- Iton, wunderschön anzusehen im blauen Kaschmir und die Ruhe selbst, »oder gehen wir nach Hause und überlegen und kommen dann wieder?«
»Ich überlege hier, danke. Wenn ich nach Hause gehe, muss ich mir die Dinger selber mixen.« Diane hob ihr Glas.
Mrs. Withersby verkündete: »Mich kriegense nich, dass ich laut denke, während Sie alle hier rumhängen. Sonst klaunse mir noch meine Ideen direkt aus'm Kopf.«
»Withers, altes Haus, ich bezweifle doch sehr, dass sich jemand von uns in Ihrem Kopf zu schaffen machen will, nicht einmal für ein Urheberrecht.« Trueblood steckte sein Nagelscherchen in die Tasche.
»Mehr fällt Ihnen nich ein, Sie alter Wichser.«
»Richtig«, meinte Melrose. »Wer will eine Lösung unterbreiten?«
Dick Scroggs, der Wirt, war herübergekommen, um ihre leeren Gläser einzusammeln. »Und wenn einer von uns eine gute Idee hat«, sagte er, »wird er die denn dann auch verwenden ? Ich meine, Mr. Jury?«
Melrose hatte in diesen vier Wänden schon so manche idiotische Frage vernommen, doch diese schrie zum Himmel. »Verwenden? Dick, wir sind hier nicht in einer von Ihren Fernseh-Quizshows. Wer will anfangen?«
Joanna hielt ihren Stift in die Luft. »Ich wette darauf, dass dieser Hugh Gault lügt. Er hat Frau und Sohn umgebracht und zieht seinen Freund Harry Johnson mit rein - wieso, weiß ich auch nicht, muss ich zugeben -, und in dieser Klinik ist er bloß, um alle auf eine falsche Fährte zu locken, indem er sagt, das Verschwinden seiner Familie hätte ihn in den Wahnsinn getrieben. Vielleicht hatte sie das Geld, und er hatte es darauf abgesehen. Die Vorstellung, dass jemand sein eigenes Kind umbringt, behagt mir zwar gar nicht, aber -« Achselzuckend begann sie, etwas niederzuschreiben. Sie hatte einmal tatsächlich behauptet, sie könne im Jack and Hammer ganze Bücher
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