Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor
waren ölverschmiert, die Nägel abgekaut, und Make-up schien sie nur für Augen zu kennen; und da tat sie des Guten entschieden zuviel. Ihre Wimpern waren so stark getuscht, daß sie wie trockene Zweiglein aussahen und die dunkelbraunen Augen darunter eher verbargen als betonten.
Interessanter jedoch wirkte ihre Widersprüchlichkeit: Sie hob die Stimme, als ob sie sich alle Menschen vom Leib halten wollte; andererseits aber hatte sie sich bei einem Angebot von einem halben Dutzend Sitzplätzen direkt neben Melrose gefläzt.
Melrose war weit davon entfernt, ihr das Image der naßforschen jungen Amerikanerin abzunehmen; für ihn war sie eher ein Spiel aus Licht und Schatten. Trotz alledem wäre es ihm lieber gewesen, sie hätte sich nicht ausgerechnet zum Schreien berufen gefühlt.
Ah, hatte sie nicht. Das stellte sich heraus, als er sie fragte, ob sie auf Reisen wäre.
»Ich recherchiere für mein nächstes Buch.« Nachdem sie ihr Haar zu einer Art Blüte auf dem Kopf festgesteckt hatte, ließ sie sich tiefer ins Sofa rutschen und lehnte den Kopf zurück. Aus der Reißverschlußtasche der schwarzen Lederjacke zog sie eine Packung Benson and Hedges und schüttelte erst für Melrose, dann für sich selbst eine heraus.
»Buch? Dann sind Sie Schriftstellerin?«
Sie nickte und blies eine Rauchwolke aus, die in der Luft zwischen ihnen hing, dann wandte sie ihm den Kopf zu und musterte ihn unter gesenkten Lidern und Wimpern. »Ich bin augenblicklich in New York (>New Yaak<) ein heißer Tip, sehr heiß sogar. Und Sie wissen ja, was es bedeutet, wenn man in New York (>New Yaak<) ein heißer Tip ist.« Sie drehte den Kopf weg und rauchte auf Lunge.
»Offen gestanden, nein.«
Ihre Augen wurden rund, sie lehnte die Wange an die Sofalehne und schenkte ihm einen umwerfenden Blick, Marke erschrockenes Reh.
»Das darf nicht wahr sein. Sie wollen doch nicht etwa behaupten, daß Sie noch nie in New York waren? Guter Gott, was gibt es denn sonst noch?«
»Da gerade von Gott die Rede ist, wie wäre es mit Rom?«
Sie rümpfte die Nase. »Machen Sie Witze? Da ist der Papst.«
»Letzten Meldungen zufolge, ja. Und London?«
»Zu provinziell.«
»Moskau?«
»Also, wirklich. Moskau ist doch bloß ’ne Marketingidee.«
Soviel zur Bedeutung künftiger Gipfeltreffen; Themenwechsel also. »Ich glaube nicht, daß ich etwas von einer Ellen Taylor gelesen habe; aber ich bin auch nicht auf dem laufenden, was heiß gehandelte New Yorker Autorinnen betrifft.« Und falls sie das kränken sollte, setzte er rasch hinzu: »Aber damit will ich nichts über Sie als heißen Tip gesagt haben. Ich bin einfach nicht besonders weit über Rimbaud hinausgekommen.«
Sie überlegte. »Er war nicht schlecht.«
»Er war, glaube ich, seinerzeit auch ein ziemlich heißer Tip.«
»Würde mich nicht wundern.« Schon wieder vernebelte sie die Luft. »Übrigens schreibe ich nicht unter dem Namen Taylor, sondern unter Tamara.«
»Ellen Tamara? Hmm. Könnte es sein, daß Sie in England noch nicht auf dem Markt sind?«
»Ohne Ellen, einfach Tamara. Ein einziger Name. Wie Cher oder Sting oder Dante.« Offenbar suchte sie auf dem Tisch nach einem sauberen Glas, und als sie keins fand, nahm sie das etwas verschmierte der Principessa und säuberte es mit einer Serviette. Dann streckte sie ihm das Glas hin.
Melrose hielt beim Einschenken inne und sagte sinnend: »Sie haben Michelangelo ausgelassen.«
»Als ich noch unter meinem eigenen Namen geschrieben habe, konnte ich nicht ein Scheißmanuskript an den Mann bringen. Hätte ich nicht mal gekonnt, wenn ich wie Hemingway geschrieben hätte. Was ich rein zufällig tue.« Sie fahndete nach einem Aschenbecher, daß Ketten und Armreifen klirrten.
»Wie Ernest? Oder wie Muriel?«
Als sie lachte, wölkte erneut der Inhalt eines Lungenzugs empor.
»Wie witzig. Zum Glück vertrage ich Spaß. Der Ruhm hat mich nicht verändert, und >Alter macht nicht welk, noch täglicher Genuß mir stumpf den Reiz, den immerneuen<. Trotz meiner Berühmtheit bin ich bescheiden geblieben.«
Genau wie Cleopatra, sagte er - nicht.
»Also, wenn der Ruhm einen erst mal eingeholt hat, ist man wie vom wilden Affen gebissen. Obwohl mein Verleger sagt: >Bei Ihnen braucht es einen tollwütigen Hund.<« Sie hob das Glas und trank, offenbar auf ihren Verleger. »Sehr aufbauend, der Typ.«
»Hört sich geistreich an.«
Sie hob die Schultern. »Bloß daß er findet, ich sollte wieder so schreiben wie früher.«
»Und wie war das?«
»Nicht
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