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Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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so experimentell - schlicht narrativ, so ungefähr jedenfalls, ’ne Art Schauerroman. Ein bißchen Brontë, ein bißchen Le Fanu, ein soupçon James.«
    Melrose, der gerade an seinem Getränk genippt hatte, blieb der Sherry im Halse stecken. »Henry James?«
    Sie schlug ihn auf den Rücken und fragte: »Alles okay?«
    »Nein.« Seine Kehle kam ihm kratzig vor, die Stimme verrostet. »Nein. Eine Notoperation, bitte, Sie müssen sofort einen Luftröhrenschnitt machen. Also, heute schreibt niemand mehr wie Henry James, und, Grundgütiger, es hat auch keiner je wie Henry James geschrieben, außer Henry James. Und wie bringen Sie ihn überhaupt in Ihrer Liste von Schauerromanen, eingetragenes Warenzeichen, unter?«
    Ihr Kopf fuhr so heftig herum, daß ihr die Metallohrringe klirrend ins Gesicht schlugen. »Das darf nicht wahr sein. Noch nie was von Die Drehung der Schraube gehört?«
    Zugegeben, das war ein bißchen schauerlich.
    Sie musterte ihre Nägel, prüfte offensichtlich, ob sie noch etwas zum Abkauen übriggelassen hatte. »Und dann Bildnis einer Dame. Das haben Sie doch wohl gelesen?«
    »Selbstverständlich.«
    »Keine weiteren Fragen.«
    »Aber ich habe noch welche!« Melrose stellte fest, daß er auch schon am Daumennagel kaute. War sie verrückt?
    »Sie haben es offensichtlich nicht kapiert«, war ihre undurchsichtige Antwort.
    Das war nun wirklich zuviel. War dieses kratzbürstige Mädchen mit der saloppen Sprache tatsächlich gebildet, beschlagen, firm und - da sei Gott vor - begabt?
    Sie hatte auf die Uhr geblickt, die viel zu schwer für ihr knochiges Handgelenk war, und sagte gerade: »Na, dann will ich mal wieder. Ob man im Dorf ’nen Happen zu essen kriegt? Vielleicht in einer der Absteigen da?«
    Sie stand rasch auf und stülpte sich den schwarzen Helm auf den Kopf. Mit ihrem spitzen Gesicht unter der schwarzen Kugel wirkte sie ein wenig wie ein Astronaut, der sich so lange im Weltraum herumgetrieben hat, daß er etwas zusammengeschrumpft ist.
    Melrose erhob sich. »Ich muß auch gehen.« Er holte sich Mantel und Stock und ließ ihr an der Tür den Vortritt.
    Auf dem gepflasterten Hof warf Melrose noch einen Blick durch die Sprossenfenster des Speisezimmers, wo die Principessa und Major Poges an einem Ende des langen Tisches saßen und die Braines am anderen. Die Scheiben waren jedoch beschlagen und das Fenster so von Efeu überrankt, daß die in mattes Gold und Rosé getauchten Gesichter und Gestalten zu schwankenden Rechtecken zerflossen - verschwommenes Türkis, ein Stückchen dunkle Wolle, der Schimmer eines lavendelblauen Ärmels. Sie schienen auseinanderzufallen und sich wie Kaleidoskopteilchen zu neuen Mustern zu formen.
    Um den Tisch herum flatterte und schwebte Ruby, das Hausmädchen, mit gestärkter weißer Schürze.
    »... erst neunundzwanzig und schon Millionärin. Nicht zu fassen.«
    »Warum nicht?«
    »Ich bin zu jung , verdammt noch mal«, sagte sie und kickte einen Stein in Richtung Geröllhaufen.
    Sie waren jetzt bei ihrer »Kiste« angelangt, und die verschlug Melrose die Sprache. Er hatte irgend etwas Schickes, Damenhaftes erwartet, und da stand eine ausgewachsene BMW von der ungefähren Größe eines Elefantenkalbs. »Ehrlich, das Ding da wollen Sie fahren?«
    Sie seufzte, zündete sich schon wieder eine Zigarette an und schüttelte den Kopf. »Nein, mit dem Ding da geh ich Gassi-Gassi.« Und schon war sie wieder bei ihrem frühen Ruhm gelandet und blickte dabei zum nächtlichen Himmel auf, der so glattpoliert und schwarz wie Onyx war; nur ein paar kalte Sterne sahen aus, als funkelten sie Äonen entfernt, was wahrscheinlich auch der Fall war. Der Mond war rund und hell und leuchtete ihnen. Aus der Scheune drang erregtes Gebell, und ein Hund kam aus der Dunkelheit zu einem mondbeschienenen Fleckchen gelaufen. Es war der Border Collie, den er schon einmal gesehen hatte. Für Melroses Geschmack sah der Hund etwas zu scharf aus; da war ihm Mindy, seine alte Hündin, lieber.
    »Ich glaube, wir sind Zeugen eines denkwürdigen Geschehens, ein Hund zu abendlicher Stunde.«
    Aber Ellen war mit ihren Gedanken immer noch woanders, war in unruhige Träume von ihrem eigenen Erfolg versunken, während sie sich die Zigarette mit einem Feuerzeug anzündete und es wieder zuschnappen ließ. »Ich und Millionärin .« Sie blickte Melrose von der Seite an, schließlich wollte sie wissen, ob er auch gebührend beeindruckt war. »In Pfund Sterling«, ergänzte sie und setzte hinzu: »Mit einem

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