Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor
Schwermut neigt. Als ob sie in der ganzen Sache nichts zu sagen gehabt hätte. Nun, am Ende hat sie ihre Meinung doch noch geäußert, nicht wahr?«
»Man könnte fast meinen, Sie billigten ihre Tat.« Der Major faltete seine Zeitung zu einem Fächer.
»Aber sicher. Wie dramatisch. Die schleicht nicht durch die Gegend und versucht, ihn in einer dunklen Gasse abzumurksen. Ihre Anwälte müßten Vollidioten sein, wenn sie sie nicht herauspauken könnten.«
»Sie herauspauken? Die Frau hat ihn vor der Nase eines Kriminalbeamten umgebracht.«
Sie antwortete dem Major, sah dabei aber Melrose an. »Das macht keinen Unterschied. Es geht um das Motiv. Der Mann hat sich geweigert, das Lösegeld zu zahlen.« Sie streckte Melrose eine neue Zigarette hin.
Melrose gab ihr Feuer und sagte: »Damit dürfte sie kaum durchkommen, oder? Hätte sie ihn gleich oder sechs Monate oder auch noch ein Jahr danach ermordet, dann hätte man wohl auf hochgradige Depression plädieren können.«
Die Principessa stand auf und griff nach ihrem Zigarettenetui. »Es ist mir neu, daß sich Verzweiflung zeitlich begrenzen läßt, Mr. Plant. Da, es schneit schon wieder. Hat sich was mit meinem Nachmittag in Leeds. Speisen Sie mit uns? Ich möchte doch sehr hoffen. Die Abwechslung täte uns gut.« Ein blumiger Duft schwebte hinter ihr her, als sie den Raum verließ.
Der Major sah ihr mißmutig nach. »Dieses Frauenzimmer! Behält immer das letzte Wort. Na schön, ich bin für einen Spaziergang, Schnee hin, Schnee her. Kommen Sie mit, Mr. Plant?«
Melrose sah auf. »Ach, das geht nicht, leider. Ah, haben Sie übrigens Miss Taylor heute morgen schon gesehen?«
»Heute morgen noch nicht. Nein, nicht mehr, seit sie gestern auf ihrem Motorrad in die Nacht gebraust ist und sicherlich alles plattgewalzt hat, was ihr in den Weg kam.«
»Genau das ist es. Wir hätten sie hören müssen, wenn sie nach Haus gekommen wäre, oder?«
Major Poges warf einen Blick auf seine Uhr, schüttelte sie und hielt sie ans Ohr. »Wer sagt, daß sie nach Haus gekommen ist? Sie ist schließlich aus New York.«
Er machte kehrt, verließ den Raum und brummelte dabei so etwas wie »Rose rumkriegen, daß sie mit mir im Stanbury-Moor spazierengeht« vor sich hin.
New York hin, New York her, in Haworth gab es kaum etwas, das ähnliche Reize bot. Da saß er nun mit einem flauen Gefühl im Magen und starrte nach draußen in den sachte fallenden Schnee. Es mochten fünf Minuten vergangen sein (oder fünfzig?), in denen er sich Zusammenstöße auf vereisten Straßen ausmalte, als ihn eine Stimme hinter seinem Rücken zusammenfahren ließ.
»Kommen Sie mit?«
Er drehte sich um und sah Abby Cable in einer Aufmachung, die einem Eskimo wohl angestanden hätte. Ihr Gesicht war kaum noch zu sehen, doch er spürte ihren Blick. Es war, als glänzte Eis im Licht. »Was? Wohin denn? Hast du einen Iglu gebaut?«
Schweigen. Ihr Gesicht war in Schals und Umschlagtücher eingemummt. Doch ihr durchdringender Blick war immer noch zu spüren. »Schafe suchen. Sie haben gesagt, Sie wollten mit.«
Im Ernst? Als er nicht gleich von seinem Stuhl hochschoß, sagte sie: »Na dann, auf Wiedersehen.«
Erwachsene lügen, besagte ihr Ton klar und deutlich. Ich weiß Bescheid.
»Ich habe keine Ahnung, was ich für dieses Abenteuer anziehen soll.«
Schweigen. Der Eskimo drehte sich um. »Wie wäre es mit einem Mantel?« Und schon wollte sie zur Tür hinaus, so daß Melrose hinter ihr herstürzen mußte. »Kannst du denn nicht drei Minuten warten?«
Sie machte die Haustür auf. Draußen lag alles unter einer geschlossenen Schneedecke. Vor der Tür saß Stranger mit schneebestäubtem Fell. »Na gut«, sagte sie kurz angebunden.
Während er sich in seine Gummistiefel quälte, konnte er die Uhr ticken hören.
Er kam sich albern vor, wie er da mit einem Hirtenstab in der Hand durch die Gegend stapfte.
»Den brauchen Sie«, hatte sie gesagt. »Mit Ihrem Stockdings kommen Sie nicht weit.«
Das, so hatte er gesagt, sei kein »Stockdings«, sondern ein Totschläger aus dem neunzehnten Jahrhundert. Als Abby hörte, daß es sich um eine Waffe handelte, hatte sie die Ohren gespitzt und ihn in der Hand gewogen, ihn betrachtet und gefragt, ob die Polizei ihn gegen Menschen gebraucht hätte. Welche Enttäuschung, daß dies nicht der Hauptzweck des Totschlägers gewesen war. Doch sie war wieder ganz Ohr, als er anfügte, daß man damit natürlich einen Menschen totschlagen könne. Warum? fragte er sie.
Die
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