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Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Frage blieb unbeantwortet, da sie sich auf der Rückseite von Weavers Hall gen Norden auf den Weg machten.
    »Ich sehe überhaupt nicht ein, warum wir uns nicht an gebahnte Pfade halten können«, bemerkte Melrose gereizt, als sie zwanzig Minuten lang stur vor sich hin gestapft waren. Ihm schwante, daß sie die letzten Spuren der Zivilisation bereits an der Oakworth Road hinter sich gelassen hatten, wo eine rote Telefonzelle ganz allein auf weiter Flur stand. Er sah, daß sich zwei lange Wege wie Furchen im Neuschnee kreuzten. Tief lag der Schnee nicht, nur wirkte er angesichts dieser Landschaft unheimlich.
    Ihr Seufzer - recht übertrieben, fand er - tat kund, daß er ein hoffnungsloser Fall war und keine Ahnung von Schafen hatte. Der Seufzer bekam weiteren Nachdruck durch einen Hieb mit dem Totschläger, den sie sich angeeignet hatte und mit dem sie (witsch!) heftige Schläge austeilte. »Schafe halten sich nicht an Wege. Aber mit Schafen kennen Sie sich wohl nicht aus.«
    Mußte sie eigentlich jede Bemerkung damit beginnen, daß sie sich bei ihm zwar einen kleinen Wissensfundus erhoffte, aber nicht recht glaubte, daß er überhaupt etwas wußte? Aber-hiermit-kennen-Sie-sich-wohl-nicht-aus, aber-damit-kennen-Sie-sich-wohl-nicht-aus ...
    »Aber gewiß doch. Ich weiß, daß sie unter dem Außenfell noch ein Innenfell haben, das sie warm hält.« Ach, wenn er doch auch so ein Innenfell hätte; er bewegte die Hand, die den Hirtenstab hielt, um die Blutzirkulation in Gang zu halten. Seine Finger kamen ihm vor wie vereiste Äste.
    Aber selbst auf seinem bißchen Schaf-Wissen mußte sie noch herumtrampeln. »Alle glauben, daß sie dumm sind. Sind sie aber nicht. Geraten Sie mal an ein eigensinniges altes Mutterschaf, da können Sie aber was erleben.« Es kam fast einer Aufforderung gleich, denn sie deutete mit dem Totschläger auf ein etwas entfernt stehendes großes Schaf mit schwarzem Kopf.
    »Tatsächlich?«
    Abby beantwortete keine rhetorischen Fragen; sie sah anscheinend nicht ein, warum sie ihre Feststellungen wiederholen sollte.
    »Man weiß nie, wo Mr. Nelligans Schafe sind. Die strolchen durch die Gegend.«
    »Wer ist übrigens dieser Mr. Nelligan?«
    Statt einer Antwort drehte sich Abby um und deutete mit dem Totschläger in Richtung eines Hügels, der aussah, als läge er eine Meile entfernt, was aber sicherlich nicht stimmte. In dieser Landschaft war das Schätzen von Entfernungen eine Kunst für sich. »Der Wohnwagen da drüben.«
    Melrose schirmte die Augen ab und blickte zu dem fernen Hügel hin, wo er eine Art kleinen Kasten auszumachen meinte, aus dessen Dach sich Rauch kringelte. »Ein Wohnwagen mit Schornstein?«
    »Er hat ein Loch ins Dach gemacht.«
    Melrose fragte gar nicht weiter nach. »Und warum ist Mr. Nelligan nicht unterwegs, wenn seine Schafe gerettet werden müssen?«
    »Er trinkt schwarzgebrannten Whisky. Einmal sind ihm mehr als hundert Schafe in ein tiefes Bachbett geraten. Stranger hat sie wieder zusammengetrieben.« Sie schüttelte den Kopf und stellte damit klar, daß sie ohne ihren Hund sowieso alle den Bach runtergehen würden.
    Sie stapften weiter auf die zerfallene Mauer »dahinten« zu. Ihm fiel auf, daß er nicht einmal genau wußte, was diese ausgemacht gräßliche Unternehmung eigentlich bezweckte. Er blieb stehen. »Wohin gehen wir?«
    »Immer Stranger hinterher«, sagte sie mit einem Blick zu ihm hoch. Ihre Augen leuchteten aus dem Rund ihrer Kapuze, ein dunkles und unergründliches Blau.
    »Soll das heißen, wir folgen dem Hund?« Keine Antwort. »Mein Hund geht hinter mir her.« Rein technisch gesehen stimmte das nicht: Mindy gab für einen »Spaziergang« nur höchst selten ihren Platz am Kamin auf. Aber Mindy war alt. Und er wohl auch. Noch zehn Minuten, und ihm würde ein Bart aus Rauhreif wachsen. Er rümpfte die Nase; in der trockenen Luft froren ihm schier die Nasenlöcher zusammen.
    Die Landschaft wirkte wie ein Negativ der Landschaft von gestern abend, als er mit Ellen (wo zum Teufel steckte Ellen?) vor Weavers Hall gestanden hatte. Ein toter weißer Mond vor einem schwarzen Himmel, dahinter der silbrige Stausee. Heute war der Himmel kränklich bleich, die Wolken hingen niedrig und bleiern, und das Moor mit seinem Farn-und Heidegestrüpp wirkte unter der Schneedecke wie eine Mondlandschaft voller Krater. Melrose gefiel die Art, wie sich sein eigenes Haus in eine Landschaft aus Wäldern und Wegen schmiegte; ein großartiger Blick, eine malerische Aussicht. Zuweilen,

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