Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor
essen wie ein Vögelchen.« Und zu Melrose gewandt: »Sie will nur Sachen essen, die keinen Krach machen und nicht geschnitten werden müssen.« Und dann rief er zu ihrem Tischende hinunter: »So kommen Sie doch endlich auf Ihren alten Platz zurück, und setzen Sie sich.«
Ihre Miene machte deutlich, daß er ihr das Stichwort lieferte, auf das sie sehnsüchtig gewartet hatte. »Ich habe mich hierhergesetzt, Mr. Plant, weil ich mir meine Morgenzigarette nicht vermiesen lassen möchte. Und es ist gräßlich unmanierlich zu rauchen, wenn andere noch essen. Das jedenfalls hat man mir angedeutet.«
Der Major sagte sotto voce: »Ach, halten Sie den Mund.« Und laut zur Principessa: »Wir hier oben mögen nicht länger brüllen. Einmal, ein einziges Mal, habe ich mich beschwert, nämlich als Sie diesen Stumpen geraucht haben. Kommen Sie zurück auf Ihren angestammten Platz.«
»Ah!« rief sie und stand auf. »Vielen Dank auch.«
Melrose lächelte, denn nun kam sie und nahm den Stuhl links vom Major ein. Der war aufgestanden und schob ihn ihr zurecht.
»Ich muß gestehen, mich fasziniert eher die Braine«, sagte sie, nachdem sie sich gesetzt hatte. »Die hat doch nicht alle Tassen im Schrank. Haben Sie gewußt, daß sie zum Hadrianswall will? Sie behauptet wahrhaftig, daß sie mit dem Kaiser in Kontakt steht, was schwierig sein dürfte, da er schon etliche Jahrhunderte tot ist.« Die Principessa beugte sich zu Melrose. »Behauptet, das Zweite Gesicht zu haben. Sie hätte gewußt, daß es hier in der Nähe einen Mord geben würde, denn der hätte sich in ihrem >Magnetfeld< manifestiert. Sie wurde von einer unwiderstehlichen Kraft >hierhergezogen<.«
»Meiner Erfahrung nach führt Hellsehen häufig dazu, daß man das Nachsehen hat«, sagte Melrose. »Ich könnte mir vorstellen, daß sie weiteren Ärger weissagt.«
Major Poges machte große Augen. »Tatsächlich. Woher wissen Sie?«
»Ich wußte es gar nicht. Aber wer weiteren Ärger weissagt, kann nichts verkehrt machen. Es gibt immer welchen.«
»Kein Wunder, daß Malcolm so mißraten ist. Sie reisen ab, sagt sie, um sich mit Hadrians Geist zu treffen. Morgen. Gegen Mittag.« Sie schnipste Asche auf einen Teller. »Und da meinen die Leute, daß Mörder verrückt sind.«
»Wird das von der Frau behauptet, die ihren Mann umgebracht hat? Ich könnte mir denken, daß man kein gutes Haar an ihr läßt.«
»Man denkt sich sein Teil, ja. Die Familie ist sehr alt und sehr alteingesessen«, sagte der Major. »Ich kenne sie. Eigentlich nur ihn, Charles Citrine. Bin ein paarmal mit ihm auf die Jagd gegangen.«
»Aber dieser Schießwütige hier«, sagte die Principessa und wies mit dem Kopf auf Poges, »hat noch nie etwas für unsere mager bestellte Tafel mitgebracht.«
»Nennen Sie mich nicht immer so. Bloß weil jemand gern frühmorgens übers Moor geht und manchmal schießt -«
»Seine Trefferquote liegt ungefähr bei eins zu tausend.«
Melrose lächelte. »Und Charles Citrine -«
Ruby unterbrach ihn, denn sie kam mit dem Tablett herein und stellte ihm seinen Tee und seinen Porridge hin. Dann machte sie sich daran, das schmutzige Geschirr abzuräumen, als müßte sie es stehlen. Sie nahm ein Kelchglas und betrachtete es gedankenverloren. Dann stellte sie es rasch auf das Tablett, griff nach dem Teller mit den Knochen vom Hammelkotelett und verließ das Zimmer fast im Laufschritt.
»Benimmt sie sich immer so?« fragte Melrose, ließ ein Butterstückchen mitten in den Porridge fallen und sah zu, wie sich die schmelzenden Rinnsale verteilten.
»Sie ist eine dumme Pute. Beachten Sie sie gar nicht«, sagte der Major und bediente sich tüchtig aus dem Marmeladenglas.
Die Principessa drückte ihre Zigarette aus und stützte das Kinn auf die gefalteten Hände. »Ich finde es sehr interessant, daß immer nur davon die Rede ist, wie untadelig der Mann doch war. Und wie >unerschrocken< er sich Vorjahren geweigert hat, das Lösegeld zu zahlen. So als ob das seine Frau überhaupt nichts anginge. Die wenigen Male, die ich mich mit Mrs. Healey unterhalten habe, ist sie mir recht zurückhaltend vorgekommen, doch gewiß nicht wie eine Landpomeranze und schon gar nicht wie eine Frau ohne Rückgrat.«
Melrose trank seinen Tee aus. »Das klingt, als ob Sie dem Mann nicht über den Weg trauten.«
»Du liebe Zeit, ich traue niemandem, der so ohne Fehl und Tadel sein soll. Jedenfalls klingt das alles recht klischeehaft, dieser unerschrockene Ehegatte mit der Frau, die anscheinend zur
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