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Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht

Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Keiner von beiden hatte je hart arbeiten müssen. Sehen Sie mich doch nicht so an. Die zarten Hände, die Sie so scharf mustern, sind die Hände einer ehemaligen Stenotypistin.«
    »Was war mit Annie Thale?«
    »Was soll mit ihr gewesen sein? Sie war eine vorzügliche Köchin. Meinen Sie, Talent zum Kochen liegt in den Genen? Ihre Tochter Millie kocht auch bemerkenswert gut. Manchmal frage ich mich schon, wieviel Mrs. Callow in der Küche eigentlich noch tut.«
    Dieses kleine Rätsel schien Genevieve mehr zu interessieren als der Tod von Millies Mutter. Ihr Gedächtnis war besser als das ihres Mannes, ihre Wertvorstellungen nicht. Er bezweifelte, daß das Gespräch mit ihr ihn weiterbringen würde. Trotzdem fragte er: »Dann sind Sie ganz sicher, daß es ein Unfall war?«
    Sie erhob sich, atmete tief durch und ging hoch einmal zur Karaffe. »Ganz sicher bin ich nie. Aber warum in Gottes Namen soll es etwas anderes gewesen sein?« Nach einem Blick zur Uhr auf dem Kaminsims sagte sie: »Sie werden doch später etwas mit uns trinken? Oder vielleicht hier zu Abend essen?«
    Jury fand, daß sie angesichts der Umstände mit dieser Einladung ziemlich weit ging. Aber sie hatte sich schon kräftig in die Cocktailstunde hineingetrunken. »Gern, danke. Aber ich möchte noch mit den anderen sprechen. Zum einen mit Francis Fellowes.«
    »Francis? Er wohnt im Pförtnerhaus. Da sind Sie vorbeigekommen. Es ist ja noch ein bißchen hell draußen. Vermutlich ist er noch mit seinen Farben draußen. Aus irgendeinem Grund malt er immer Wast Water. Er scheint wie besessen davon.«
    Genevieve erklärte Jury den Weg und schien fast traurig darüber, daß er sie verließ. Vielleicht war selbst die Polizei für sie eine willkommene Abwechslung.
    »Keine sehr liebenswerte Person, diese Madeline Galloway«, sagte Wiggins und entfernte den Deckel von einem kleinen zusammenklappbaren Trinkbecher, den er dann wie eine Ziehharmonika auseinanderzog. »Irgendwas ist da faul.« Aus der hinteren Hosentasche nahm er einen lederbezogenen Flachmann, der zusammen mit einem Fernglas zur Grundausstattung eines Rennbahnbesuchers hätte gehören können. Wiggins hatte Mineralwasser hineingefüllt. »Eins kann ich Ihnen sagen, sie mochte ihre Schwester nicht; außerdem kann ich Ihnen sagen, daß sie Virginia Holdsworth nicht mochte und Genevieve Holdsworth nicht mag.« Er nahm einen Schluck Wasser, schüttelte eine zweifarbige Kapsel aus einem Gläschen und warf sie sich in den Rachen. Die diversen Utensilien verstaute er wieder in den dazugehörigen Schatullen.
    Dann führ er fort. »George Holdsworth war nicht besonders hilfreich. Ich mußte mit Höllenhunden konkurrieren, um mir Gehör zu verschaffen. Er mochte Virginia sehr, hat er gesagt. Seine Gefühle den anderen gegenüber sind schwer zu ergründen. Aber er mochte Jane Holdsworth. >Eine Tragödie. Obwohl es mich nicht überrascht.< Das hat er gesagt. Mich hat es ein bißchen überrascht. Er war der Meinung, daß sie in den Selbstmord getrieben wurde. Das Wort hat er benutzt: >getrieben<. Und dabei ist er sonst so wortkarg.«
    Jury sagte nichts. Sie stiegen ins Auto. »Und die Hausangestellten?«
    Wiggins verzog das Gesicht. »Ein schreckliches Paar. Hawkes war gerade dabei, Silber zu putzen, und nahm kein Blatt vor den Mund, denn er hatte nichts gegen ein ordentliches Pläuschchen.« Wiggins’ Nase juckte. Er kramte ein großes Taschentuch heraus, als er den Niesanfall kommen fühlte.
    »Gehen wir, Wiggins; eine kleine Seebrise wird Ihnen guttun.« Wiggins sah ihn nur an.
    Die Oberfläche von Wast Water war grau, gekräuselt und sah eisig aus, kein Gewässer, das seinem Sergeant besonders gut tun würde. Das Vulkangestein schuf einen ehrfurchtgebietenden, geradezu beängstigenden Anblick. Am anderen Ende des Sees erhob sich das stahlgraue Felsmassiv von Scafell und Great Gable, während die Screes, der Geröllhang am gegenüberliegenden Ufer, völlig anders aussahen. Es war ein riesiger zerklüfteter Berghang, vom vielen Regen ausgewaschen.
    Das wenige verbleibende Licht wechselte dauernd. In den paar Augenblicken, die Jury und Wiggins brauchten, um das Auto zu verlassen und sich über Gestein und Moose einen Weg zu bahnen, änderte sich die Farbe des Sees von Grau zu Schiefergrüngrau zu Umbra, je nachdem, wie die Wolken gerade standen.
    Weil Licht und Schatten rasch wechselten, hatte der Maler nicht nur eine, sondern drei Leinwände aufgestellt, und als Jury und Wiggins ihm entgegengingen, lief er

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