Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht
Ringgröße Jane hatte. »Wie dumm von mir.« Er sah auf Lady Kenningtons Hand, sie hielt immer noch den
Riemen der Handtasche fest. »Leihen Sie mir mal Ihre Hand? Es sieht aus, als sei sie so groß wie die Hand ... meiner Freundin.«
»Natürlich; Hände können aber trügerisch sein.« Sie streckte sie aus, und Jury ließ den Ring auf ihren Ringfinger gleiten.
»Paßt wie angegossen.«
Jenny sah auf ihre Hand und sagte: »Stimmt. Fühlt sich auch gut an. Aber wie dem auch sei, Sie können ihn bestimmt zurückbringen, wenn er nicht paßt. Vielleicht sollten Sie, anstatt zu raten, heimlich einen Ring von ihr mitnehmen; das heißt, wenn das Schmuckkästchen in Reichweite ist.« Sie lächelte freundlich.
»Danke.« Er wandte sich Mr. Cuttle zu, der die ganze Zeit nicht mit der Wimper gezuckt hatte. »Dann nehme ich den hier.«
Lady Kennington stellte eine winzige Alabasterfigur auf die Vitrine. »Ich nehme diese hier. Und vergessen Sie nicht, das Gewand der Dame ist angeknackst und ihr Arm auch.«
Mr. Cuttle machte eine abwehrende Handbewegung und bedeutete ihr, daß sie sie geschenkt haben könne.
»Das ist sehr nett von Ihnen.« Sie hielt sie Jury zur Begutachtung hin. »Sie erinnert mich an den Innenhof von Stonington.«
»Sie haben recht.« Jury gab ihr die Statue zurück und sagte zu dem alten Juwelier: »Der Ring. Ich habe vergessen, nach dem Preis zu fragen.«
Mr. Cuttle brütete finster über dem Ring; kratzte sich an dem grauen Haarkranz auf seinem Kopf und dann am Unterarm. »Den laß ich Ihnen für tausend.«
»Was? Eintausend Pfund?«
Mr. Cuttle nickte und steckte den Ring wieder in den Samtkasten. Mit einem kurzen Lächeln, so rasch verflogen wie das Aufblitzen des Rubins, stellte er dann den Kasten an seinen angestammten Platz in der Vitrine zurück.
Lady Kennington stützte sich mit den Armen auf die gläserne Vitrine und starrte Mr. Cuttle so lange an, bis er sie auch ansehen mußte. Er räusperte sich; er seufzte.
»Mr. Cuttle, Superintendent Jury könnte Ihnen die Gewerbeerlaubnis entziehen lassen, ist Ihnen das nicht klar? Sie ... stellen Waren mit falschen Angaben aus«, sagte sie nachdrücklich. »Ich habe Sie mehrfach dabei beobachtet. Wieviel wollten Sie denn so ausgeben, Richard?«
Sie hatte ihn noch nie mit Vornamen angesprochen. Die euphorische Stimmung kehrte zurück. »Ach, vielleicht so zwischen drei- und vierhundert.«
»Also, Mr. Cuttle, was wollen Sie für den Ring?« Ihr Blick zwang ihn zum Einlenken.
Er spitzte die Lippen, sah an die fleckige Decke und kratzte sich am Kinn. »Dreihundertfünfzig?« Er funkelte sie beide böse an.
»Wunderbar! Könnten Sie ihn mir in eine Schatulle tun?«
Ohne zu antworten, wühlte sich Mr. Cuttle einen Weg durch den dunklen Vorhang, vermutlich auf der Suche nach einer Schatulle.
Lady Kennington sagte zu Jury: »Ich frage mich, warum wir uns immer bei Schmuck treffen?«
»Schicksal.« Er hatte das Gefühl, er müsse den Ring erklären. »Er ist für die junge Frau, die über mir wohnt. Sie tut immer so viel für mich. Kümmert sich um meine Wohnung, putzt, räumt auf; Sie wissen ja, wie es so ist in Junggesellenbuden.«
»Einsam, nehme ich an.« Ihre Stimme war ziemlich ernst.
Jury holte tief Luft, um noch mehr Gründe für den Ring ins Feld zu führen. »Sie hat bald Geburtstag und mag Schmuck, hat aber nicht viel. Deshalb, als Überraschung -« Er lächelte gewinnend und stellte Mr. Cuttle dann eilig einen Scheck aus.
Der Mann kam mit einer Schmuckschatulle zurück und stellte den Samtkasten weg. Aber er übergab den Ring nicht sofort.
»Mr. Cuttle?« sagte Jenny sanft. Er gab Jury die Schatulle.
»Danke schön. Sie haben ein paar wunderschöne Ringe. Ich werde es den Kollegen erzählen.«
»Tun Sie das nicht«, sagte Mr. Cuttle und verschwand hinter dem Vorhang.
»Er behandelt alle Waren so, als seien Sie aus altem Familienbesitz«, sagte Jenny Kennington, als sie in einer der spinnwebartig verlaufenden kleinen Straßen um Piccadilly standen. »Da haben Sie aber einen guten Kauf gemacht; der hätte gut so um die fünfhundert kosten können.«
»Danke, daß Sie ihn für mich ergattert haben. Hören Sie, haben Sie ein bißchen Zeit?«
»Ja. Wollen wir uns irgendwo hinsetzen?«
»Das Salisbury’s ist hier in der Nähe.«
»Gut.«
Er holte die Drinks und setzte sich auf eine rote Plüschbank. »Wo wohnen Sie denn jetzt?«
»Wo wir uns zuletzt getroffen haben. In Stratford-upon-Avon.«
»Und da sitzen Sie jetzt auf
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