Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht
manchmal unter ziemlich heftigen Stimmungsschwankungen leidet.«
Wo hatte er die Beschreibung nun schon wieder her? Trueblood mußte die ursprüngliche Geschichte vergessen haben. »Das klingt ja, als sei sie, äh, absolut perfekt.«
»Ist sie auch. Aber trotzdem habe ich Angst - ja, fast Panik -, ihren Sohn zu treffen. Er ist sechzehn und seit ein paar Jahren der Mann im Haus. Er wird mich hassen.«
»Unmöglich.« Melrose runzelte die Stirn. Er wußte nicht, wie er damit umgehen sollte, daß Jury einfach so mitspielte. Er sagte: »Können Sie einen Moment warten?«, legte den Hörer an die Brust und starrte die zu einem Sonnenrad angeordneten mittelalterlichen Schwerter an der Wand an, ohne sie wirklich zu sehen. Dann schüttelte er den Kopf wie ein Hühnerhund, der Wasser in den Ohren hat. Nein, nein, nein. »Äh, wo haben Sie sie denn kennengelernt?«
»In Islington, in der Camden Passage, um genau zu sein.«
Konnte Jury nicht aufhören, so verflucht aufgekratzt zu sein? Es paßte nicht zu ihm.
»Sie werden sie mögen. Und ihren Sohn auch. Er ist sechzehn. Oder hab ich das schon erwähnt?«
Herr im Himmel, wann hatte Melrose je einen Sechzehnjährigen gemocht? Aber darum ging es wohl kaum: Das hier war kein Scherz. Jury machte keine Witze. Melrose sah wieder die Schwerter an und überlegte, ob er eines ergreifen und sich auf die Klinge stürzen sollte. Durch irgendeinen verdammten Zufall hatte Jury wirklich eine Frau kennengelernt. Nun ja, es wimmelte ja nur so von ihnen. Und erfahrungsgemäß waren sie fast alle hinter Richard Jury her.
Was für Hochzeitsglocken würden wohl noch zur Zerstörung seines alten Freundeskreis beitragen? Wahrscheinlich würde Marshall Trueblood noch diese unsägliche Karla heiraten.
Und Jury würde seine Lady mit nach Long Pidd bringen, und dann hätten sie eine vollkommen Fremde in der Hammerschmiede rumsitzen ... Das konnte doch nicht wahr sein! Das war ein zu großer Zufall. Melrose lachte. »Sie machen Witze.«
»Hören Sie, ich weiß, das kommt alles ein bißchen plötzlich -«
»Hm, mir brauchen Sie keinen Antrag zu machen. Vielleicht will Trueblood Sie. Aber ich bin - schon vergeben.« Das würde ihn zum Schweigen bringen.
»Was ist los mit Ihnen?« lachte Jury.
»Nichts. Trueblood hat sich offensichtlich darüber ausgelassen, was wir Vivian erzählt haben und so weiter, und jetzt verarschen Sie uns, wie es so schön heißt.«
Schweigen. »Ich habe keinen blassen Dunst, wovon Sie reden. Was haben Sie Vivian erzählt?«
Melrose ließ den Hörer auf die Gabel fallen, ohne Rücksicht darauf, daß es in Jurys Ohr krachen würde.
»Er meint es ernst«, sagte er zu den Schwertern.
Jury starrte den Hörer an, vermutete, daß entweder die Leitung oder der Verstand seines Freundes zusammengebrochen war, und lächelte. Plants Reaktion war schon merkwürdig gewesen, aber die Neuigkeiten waren schließlich auch merkwürdig und überraschend ...
Selbst für Jury war es seltsam, eine Verlobung anzukündigen, über die noch gar nicht gesprochen worden war. Er hatte ja noch nicht einmal den dazugehörigen Heiratsantrag gemacht. Er fragte sich, ob Jane ihn überhaupt heiraten wollte. Aber angesichts ihrer Beziehung würde sie das Ganze zumindest ernst nehmen, dachte er.
Doch die Zweifel plagten ihn und brachten ihn groteskerweise zu dem Entschluß, sofort loszugehen und einen Ring zu kaufen - nichts beängstigend Formales, einfach nur einen Ring. Daß sie vielleicht ablehnen würde, machte ihn nur entschlossener.
Sie brauchte ihn, Jury. Nach dem Selbstmord ihres Mannes hatte sie viel durchgemacht und machte mit seiner Familie in Cumbria immer noch einiges durch. Da brauchte sie - hm, wenn schon keinen Ehemann, so doch wenigstens einen Verbündeten, jemanden außer ihrem Sohn. Der schien ihr einziger seelischer Rückhalt zu sein.
Wenn sie über ihn sprach, war sie eigentlich heiter und glücklich, aber bei dem Gedanken, daß die Holdsworths ihn in ihre Gewalt bringen könnten, wurde sie immer ganz aufgeregt oder trübsinnig. Eine absurde Idee, wie Jury ihr immer wieder sagte, was zu so manchem Streit führte, wie zum Beispiel gestern abend.
Er wußte, er hätte nicht so ungeduldig werden sollen. Aber als Reaktion auf sein, wie er fand, vollkommen vernünftiges Argument, daß es keinerlei Rechtsgrundlage dafür gab, daß die Großeltern ihr den Jungen wegnehmen durften, hatte sie die Haarbürste auf die Frisierkommode gedonnert, was die Utensilien darauf - er kannte jedes
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