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Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht

Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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einzelne auswendig - zum Tanzen brachte. Das kleine silbern gerahmte Bild ihres Sohnes hüpfte in die Höhe, als wäre auch er über ihre Wut überrascht.
    »Kennst du sie vielleicht? Meinst du, nur weil du Polizist bist, könntest du das Verhalten aller Menschen voraussehen?«
    Jury überhörte es.
    Er stand vom Bett auf, wo er gesessen hatte, ging zu ihr hinüber, legte ihr die Hände auf die Schultern und sah sie im Spiegel an. Alles an ihr schien elektrisch aufgeladen - ihr Atem, ihre Augen -, es war eine Spannung, die einem zuweilen die Haare zu Berge stehen ließ. »Janey, du bist verwirrt.«
    »Allerherzlichsten Dank!«
    Jury angelte sich die Bürste mit dem silbernen Griff und fing an, ihr das Haar zu bürsten, weil er dachte, das würde sie beruhigen, aber sie schob seine Hand weg. Sie blickte auf die Kommodenplatte und sagte mit leiserer Stimme: »Daß ich nur von Almosen lebe, hat Genevieve gesagt, oh, natürlich mit einem Lächeln.«
    »Was in aller Welt soll das bedeuten?«
    Jetzt bürstete sie sich selbst das Haar, wutentbrannt. »Daß ich von dem lebe, was von meiner Familie kommt, und viel ist es nicht. Daß wir in Lewisham wohnen. Daß ich arbeitslos bin. Daß ich in vier Jahren vier Jobs verloren habe, obwohl es zweimal gar nicht meine Schuld war ... Gut, es stimmt, ich habe weder eine geschäftliche noch eine finanzielle Ader. Daß wir als nächstes in eine Wohnung mit fließend kaltem Wasser umziehen -«
    »Wie wär’s mit meiner?« Jury beugte sich hinunter und küßte sie auf die Wange.
    Da fing sie an, stumm zu weinen, die Tränen tropften eine nach der anderen auf die Glasplatte der Frisierkommode; sie hob die Hand und legte sie auf seine. »O Gott, es tut mir so leid. Warum muß ich es an dir auslassen?« Dann drehte sie sich rasch um, faßte ihn um die Hüften und zog ihn zu sich.
    »Du kannst es ruhig an mir auslassen, Liebes. Jederzeit. Und was um alles in der Welt ist so schlimm an diesem Haus? Drei Zimmer mit Küche, ist doch völlig in Ordnung.«
    Er spürte ihren warmen Atem durch sein Hemd, als sie sagte: »Woher zum Teufel willst du das denn wissen?« Sie lachte. »Du hast selber gesagt, du könntest nur das Schlafzimmer beschreiben.« Sie sah zu ihm hoch und lächelte, lehnte dann wieder den Kopf an ihn. »Es geht darum, daß das der vierte Umzug in fünf Jahren ist. Ich wirke labil - das, kein Job und wie ich Alex erziehe, monieren sie. Er ist schon dreimal von der Schule geflogen - und dabei leihe ich mir das Geld für die Schulgebühren von einer Freundin, aber erzähl es ihm nicht.«
    »Ihr seid mir vielleicht ein Gespann. Was hat er denn angestellt? Bei einer Klassenarbeit abgeschrieben? Den Direktor angepöbelt?«
    »Er? Er wird nie wütend. Jedenfalls zeigt er es nicht. Er wirkt sogar gefestigter als du.«
    »Unmöglich.«
    »Wahrscheinlich ist er auch klüger.«
    »Noch unmöglicher.«
    Sie nahm das Bild zur Hand. »Und er sieht besser aus.«
    »Jetzt übertreibst du aber.« Jury hob sie vom Stuhl hoch. »Mir graut richtig davor, dieses Musterexemplar kennenzulernen.«
    »Ach, das ist er nicht. Ich glaube nämlich, daß er mir nicht immer die Wahrheit sagt über das, was er so treibt. Einmal schrieb der Direktor mir einen Brief, daß sie ihn beim Kartenspiel erwischt haben.« Sie knöpfte Jurys Hemd auf.
    »Mach ruhig weiter.«
    Jury nahm ihr die Bürste ab. Er war erleichtert, daß sie sich auf lockeres, heiteres Terrain begab, als sie über ihren Sohn sprach.
    »Er hat eine Menge Geld verdient, weißt du - mit Nachhilfestunden, irgendwelchen Jobs, sagt er. Das muß sich ausgezahlt haben.«
    Jury lächelte. »Das hört sich aber nicht so an, als habe dieser Knabe einen Ortswechsel nötig.«
    Jury wäre nie in den kleinen Laden gegangen, wenn ihm nicht ein Freund davon erzählt hätte. Er sah mehr nach einem Kostümverleih aus als nach einem Juweliergeschäft. Egal, er war ihm von einem Freund und Kollegen empfohlen worden, dessen Frau antiken Schmuck sammelte.
    Die mit Kopfsteinen gepflasterte Straße war eng, und durch die verstaubten, verrußten Schaufenster drang kaum Sonnenlicht. Die verschiedensten Dinge lagen darin: paillettenbesetzte Porzellanmasken, Trödelkleider und Federboas.
    Der Besitzer hieß Mr. Cuttle. (»Geizt ein bißchen mit Worten, aber nicht mit seinen Waren; verlangt absurde Preise und weiß, daß man sie nicht bezahlt, deshalb feilschen Sie mit ihm!«) Jury war nicht besonders gut im Feilschen, aber er war entschlossen, den Ring heute nach

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