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Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht

Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Spiegelbild im Fenster und grübelte kurz darüber nach, während die Zange des Schaffners in seine Fahrkarte biß.
    Der Mann würde sich vielleicht an das Gesicht des Jungen erinnern, der in Oldham ausstieg.
    Jetzt fragte er Alex, ob alles in Ordnung sei.
    »Könnte kaum besser sein, Chef.« Alex bedachte ihn mit einem breiten Lächeln. »Bißchen langweilig alles.« Alex schüttelte den Kopf. »Die Schule, die Scheißschule.«
    Der Schaffner hatte diese Institution wahrscheinlich selbst noch nicht lange hinter sich gelassen; durch die Uniform und den Job ohne frische Luft wirkte sein Gesicht teigig und frettchenhaft und machte ihn bestimmt älter, als er war. Er hatte eine schmale Nase und schmale Lippen, die er jetzt zu einem Lächeln verzog. »Dachte, jetzt um die Zeit wär’n endlich Ferien.«
    »Nö.« Alex machte den Reißverschluß seines Rucksacks auf und zog ein schmieriges Kartenspiel hervor. »Mach doch mal ’ne kleine Pause vom Gängepatrouillieren. Wie wär’s mit einem Spielchen? Ein Punkt, ein Penny, du zahlst nicht, wenn du verlierst. Ist doch ’n faires Angebot.« Mit einer geschmeidigen Bewegung hatte er die Karten zum Fächer ausgebreitet.
    Er forderte zu einem Spiel auf, das er nur verlieren konnte, wie er wußte; er hatte an Karten kein Interesse, außer wenn sie ihm eine Gelegenheit zum Bluffen boten - die Gesichtsmuskeln gefrieren zu lassen, die Gefühle zu verbergen. Er konnte sowieso nur spielen, wenn eine Menge Geld im Topf war.
    Das Lächeln des Schaffners wurde breiter. »Nicht mit einem, der so mit ’nem Kartenspiel umgehen kann wie du, Kumpel. Hab Frau und Kinder zu versorgen.«
    Er verließ das Abteil.
    Vor seinem inneren Auge sah Alex ihn auf sein, Alex’, Bild in der Zeitung gucken. Nö, das kann er nich sein, der freche kleine Kerl. Der würde doch nicht Karten spielen, wenn seine Mutter gerade gestorben is.
    Vor dem Bahnhof in Windermere war ein Fahrradständer. Alex inspizierte die vier Räder darin und fand eines, das nicht angeschlossen war. Er besah es sich genau, kam zu dem Schluß, daß es zwanzig, vielleicht dreißig Pfund wert war, und steckte fünfzig Pfund in einen schmuddeligen Umschlag, den er aus einem Papierkorb geangelt hatte. Er klemmte den Umschlag zwischen die Stangen, wo das Fahrrad gestanden hatte, und hoffte, der Besitzer würde ihn finden.
    Während er langsam davonradelte - er konnte nur voll in die Pedale treten, wenn es nicht zu holprig war -, überlegte er, ob sich so wohl ein Flüchtling fühlte, ob er nun schuldig oder unschuldig war.
    Über den See konnte er nicht - die Fähre hätte er ohnehin nicht genommen -, aber mit dem Rad konnte er Pfade nehmen, die für Autos nicht befahrbar waren, und dann, auf der anderen Seite vom Windermere-See am Coniston Water, Boone auf einem direkteren Weg erreichen.
    Direkt. Das war ein Lacher. Als er endlich um das kleine Dorf herumfuhr, war es fast fünf, und als er beim Landsitz der Holdsworths ankam, dämmerte es bereits. Von weitem hörte er Wasser rauschen. Hier auf dem Land im Lake District gab es unzählige Gebirgs- und Wildbäche, die sich im Frühjahr in das reinste Wasserballett verwandelten: winzige Wasserfälle wurden zu großen Bächen; Bäche zu Strömen; überall rann Wasser in Bergweiher und Seen.
    Alex gelangte zu der langen Mauer aus Feldsteinen, die einst das ganze Haus umgeben hatte. Jetzt war nur noch eine größere Ecke übrig, die immer wieder zerfiel. Die Mauer hatte auch gar keine Funktion mehr. Er fuhr nach links und folgte der Mauer etwa vierhundert Meter bis zum Ende. Dort stieg er vom Fahrrad und schob es den Rest des Weges durch die Bäume.
    Sein Ziel war das Baumhaus. Vor drei Jahren hatten er und Millie die Bretter zusammengenagelt, hauptsächlich als Zufluchtsort für Millie, für die Momente, wenn sie von der Familie wegwollte.
    Er ging noch ein Stück weiter bis zu einer großen Buche, und da war es. Es sah genauso aus wie in seiner Erinnerung. Es war nicht nur gut versteckt, weil es so hoch war, sondern auch, weil die kahlen Zweige es verbargen, und außerdem war die Buche von Koniferen umgeben.
    Alex legte das Fahrrad auf den Boden und bedeckte es mit Flechten, kleinen Zweigen und trockenen Blättern. Dann legte er die Leiter an den Stamm der Buche und kletterte hoch. Er war erstaunt, daß alles so lange gehalten hatte. Die Leiter war nicht verrottet, und als er weit genug oben war, um einen Blick ins Innere des Baumhauses zu werfen, hatte er den Eindruck, daß es in Ordnung

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