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Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht

Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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schaute nach unten.
    Rasch fügte Kamir hinzu: »Sie ist nicht gekommen, um sich mit Jane Holdsworth zu treffen. Obwohl sie das gesagt hat.«
    Jury sah in Kamirs besorgtes Gesicht. »Dann hat sie sich gestern abend weder mit Madeline noch mit Genevieve treffen wollen?«
    Kamir seufzte. »Nach Madelines Aussage, nein.«
    »Was ist mit diesen Eintragungen in dem Kalender?« Jury kam sich lächerlich vor. Er war ihr Geliebter, aber er wußte offensichtlich gar nichts über sie. »Wir - normalerweise gingen wir zum Essen aus. Die Küche habe ich so gut wie nie betreten.« Außer dem Schlafzimmer kenne ich in diesem Haus kaum ein Zimmer ... Dann sah er Kamir scharf an. »Ganz egal, wen sie getroffen hat ... Hat sie ihn denn nicht in diesen verdammten Kalender eingetragen?«
    »Nein. Da steht nur Ihr Name.«
    »Ihre Schwester. Wie ist sie?«
    »Hübsch, irgendwie dünn, nervös hübsch. Intelligent. Ziemlich merkwürdig für eine Frau in ihrem Alter, noch nicht verheiratet zu sein.« Kamir sah Jury an.
    »Sie dachte wohl mal, sie würde heiraten. Ich glaube, sie wollte Graham Holdsworth heiraten.«
    Kamir hob fragend die Hände. »Haben wir nicht von Feinden gesprochen?«
    »Würde sie achtzehn Jahre warten?«
    »Einige warten ewig.«
    »Alibi?«
    »Nein.«
    »Hätten Sie was dagegen, wenn ich mit ihr rede?«
    »Nein. Ich habe Ihnen ja schon gesagt, sie ist im Brown’s. Aber ich glaube, sie fährt heute mit einem Nachmittagszug von Euston zurück. Genevieve Holdsworth ist schon heute früh gefahren.«
    Aber Jury war in Gedanken weniger mit diesen Frauen beschäftigt als mit der Bemerkung Kamirs von vorhin, da steht nur Ihr Name.
    Er erhob sich und sagte: »Vielleicht nehme ich auch einen Nachmittagszug von Euston.«
    Kamir sah Jury mit seinen aufmerksamen braunen Augen an. »Wenn die Situation umgekehrt wäre, Superintendent -«
    Jury lächelte beinahe. »Ich weiß, mein Name steht auf dem Kalender; meine Fingerabdrücke sind überall im Haus; alles deutet darauf hin, daß ich der letzte war, der sie lebend gesehen hat ...« Er hielt inne. »Ja, das ist wohl richtig. Ich würde Sie keinen Zug besteigen lassen.«
    Am Bahnhof Euston legte Alex zwei Zwanzigpfundscheine in die Drehscheibe und verlangte eine einfache Erster-Klasse-Fahrt nach Windermere. Fahrkarte und Wechselgeld wurden ihm hingekurbelt, ohne daß der Bahnangestellte auch nur aufsah.
    Vielleicht war es Geldverschwendung, dachte er, während er Rucksack und Regenjacke in dem leeren Abteil verstaute. Er hätte genausogut einen Zweiter-Klasse-Fahrschein lösen und nach der Kontrolle in die erste Klasse wechseln können. Aber er war jung. Bei jungen Leuten erwartete man immer gleich, daß sie entweder etwas Illegales oder etwas Unhöfliches taten. Irgendwann müßte er sich mal eine Eton-Schuluniform mit Krawatte für Reisen mit der British Rail organisieren.
    Jetzt war es wichtiger, einen Ort für sich zu haben, zum Nachdenken. Dank unzähliger Tassen Kaffee hatte er es geschafft, wachzubleiben. Schlafen war nicht angesagt; das wagte er nicht. Denn dann würde er träumen. Er würde von seiner Mutter träumen, und es würde einer dieser teuflisch glücklichen Träume werden, aus denen man selbst in den besten Zeiten nicht gern aufwacht. Und beim Erwachen wäre er dem Überfall der Gefühle, gegen die er sich so eisern gewappnet hatte, hilflos ausgeliefert. Er erinnerte sich, wie oft er aufgewacht war und sich elend gefühlt hatte (bei den Holdsworths, in der schäbigen, grauen Dunkelheit der Severn School, auf eiskalten Bahnhöfen, damals, wenn sein Vater gekommen war, um ihn abzuholen, und er im Zug versucht hatte, wachzubleiben ...). Wenn die Träume selbst elend gewesen wären, wäre es nicht so schlimm gewesen. Aber das Leben war ohnehin ein einziger fauler Trick, oder etwa nicht? Träum von einer Wiese, auf der Schafe grasen, und du wachst unter Wölfen auf.
    Er nahm ein kleines Notizbuch und einen Stift aus der Tasche und behielt sie in der Hand, das Notizbuch offen, der Stift ohne Kappe. HÖLLE. Das schrieb er hin. Und strich es dann durch. Warum machte sich bloß irgend jemand, irgend etwas , die Mühe, sich eine Hölle im Jenseits auszudenken, wo man sich doch nur eine Weile im Diesseits aufhalten mußte?
    Draußen flog die Landschaft vorbei, er achtete nicht darauf. Das einzige, was Alex sah, war sein eigenes schwaches Spiegelbild im Fenster. Hier und da ein Telefonmast oder ein Silo. Weiter weg funkelte es in den Feldern, ein entferntes Trugbild von

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