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Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht

Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Zwingers mit der Hundemeute hinter ihm zuklickte, erstarb das heisere Schreien, das er vorher von weitem gehört hatte; die Hunde verschlangen ihr klebriges Futter und schlabberten ihr Wasser.
    Über den gepflasterten Hof zogen knöchelhohe Nebelschwaden, Millies Gummistiefel quatschten, als sie zu der Mauer ging, wo sie ihre leeren Eimer absetzte. Sie schenkte ihm nicht die geringste Aufmerksamkeit, er hätte ebensogut unsichtbar sein können. Dann sagte sie mit einem gestellten kleinen Rucken überrascht: »Oh, hallo«, als hätte sie bis zu diesem Moment nicht bemerkt, daß er sich durch den aufsteigenden Bodennebel näherte.
    »Tu nicht so überrascht. Du wußtest, daß ich neugierig sein würde, wer ich denn nun bin, wenn ich nicht bin, was ich behaupte.«
    Sie sah ihn an, kaute an den Innenseiten ihrer Wangen, als wüßte sie es jetzt, wo er hier war, nicht mehr so genau. »Na, das weiß ich doch nicht. Ich weiß nur, daß Sie kein Bibliothekar sind; eigentlich sind Sie nicht hier, um an Mr. Holdsworths Bibliothek zu arbeiten.« Dann wartete sie das folgende Schweigen ab.
    »Woher weißt du das denn so genau?«
    »Sie haben es mir gesagt.« Dann ging sie mit ihren Eimern wieder durch die Tür zu den Hundezwingern. Die Hunde führten sich auf, als seien sie völlig durchgedreht.
    Melrose rief: »Was zum Teufel soll das denn bedeuten?«
    Sie kam auf den Hof zurück und sah ihn an: »Wenn Sie wären , was Sie gesagt haben, hätten Sie sich meinen Zettel angeguckt, die Stirn gerunzelt, komisch geguckt und ihn allen vorgelesen.« Sie zuckte mit den Schultern. »Aber Sie haben sich was ausgedacht und das gesagt.«
    Es hätte ihn nicht so gestört, wenn Fellowes oder Madeline oder jemand x-beliebiges ihm auf die Schliche gekommen wäre. Aber dieses elfjährige Kind mit seinem verhexten Kater (Hexer war gerade aus der Dämmerung aufgetaucht) war zuviel. »Also wußtest du es bis dahin nicht genau. Was wäre denn passiert, wenn ich es vorgelesen hätte ?«
    »Dann hätte ich gesagt, es ist ein chinesisches Sprichwort. Haben Sie Lust auf einen Spaziergang?« Sie knöpfte sich den Mantel zu, aus dem sie längst herausgewachsen war. Er war an den Ärmeln zu kurz und insgesamt nicht einmal so lang wie ihr Kleid.
    Melrose zuckte zusammen. »Fühlst du dich denn auch sicher , wenn du mit einem Menschen herumläufst, der nicht ist, was er sagt? Ich könnte gefährlich sein.«
    »Nicht gefährlicher als alle anderen hier auch. Ich will Ihnen was zeigen.«
    »Die haben gesagt, es war ein Unfall«, sagte sie, als sie auf einem kleinen, von Koniferen umstandenen Felsvorsprung über dem südlichen Ufer von Wast Water standen. Zu dritt (Hexer war der dritte im Bunde) waren sie vielleicht zehn Minuten durch dichten Wald gegangen und hier, nicht weit über dem See, herausgekommen. »Kommen Sie«, befahl Millie und kletterte die Felsen hinunter. Melrose folgte.
    Es handelte sich nicht um eine richtige Höhle, sondern um ein paar weitere pilz- und algenüberzogene Felsbrocken, und der Vorsprung darüber bildete ein Dach. Vom Torfmoos auf dem Gestein tropfte es herunter. Die übereinanderliegenden flachen Steine, auf denen sie standen, waren glitschig von den Flechten. Millie zeigte nach unten. »Sie haben gesagt, sie ist ausgerutscht und unten aufs Seeufer gefallen. Sehen Sie diesen komischen Pfad da?«
    Mit Sicherheit kein Spazierpfad, eher eine Rinne, durch die sich ein schmaler Bach ergoß. Ein Hindernisparcours mit Felsen, Wurzeln, Adlerfarn und Fieberklee. Millie war allemal klug genug zu erkennen, daß es kaum möglich war, in den Wast Water zufallen. Zu vieles hätte den Fall aufgehalten.
    »Egal, ich hab’s ausprobiert. Hier kann man nicht runterfallen.« Millie setzte sich und zog die Knie an.
    » Ausprobiert? Was um alles in der Welt soll das heißen?«
    »Ausprobiert, runterzufallen. Es geht nicht. Ich hab mich ein bißchen aufgeritzt, aber der Baumstumpf da hat mich nach ein paar Metern aufgehalten.« Sie sah ihn an. »Mum war unglücklich. Sie hat sich umgebracht. Und in den See müßte man schon hineingehen, wenn man ins Tiefe will.«
    Melrose zündete sich eine Zigarette an. »Es tut mir leid, Millie.«
    Einen Augenblick war sie still. »Sie hat seine Leiche gefunden. Vermutlich haben sie Ihnen das erzählt.«
    »Du meinst Alex’ Vater.«
    Millie nickte und rieb sich dabei die Knie. »Ist sie deshalb unglücklich geworden?«
    Melrose war davon überzeugt, daß sie glaubte, er wisse es. Er »war nicht, was er sagte«,

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